Orthodoxe Ostern in der Ukraine: Luftangriffe und Online-Gottesdienste
Zu den Osterfeiertagen rechnet die Ukraine mit verstärkten Angriffen. Viele Familien sind kriegsbedingt getrennt und nicht in Feierstimmung.
E s ist das dritte Ostern, das die orthodoxen Ukrainer*innen an diesem Sonntag unter Kriegsrecht feiern müssen. Es gibt keine großen Gottesdienste und kaum Möglichkeiten, an nächtlichen Messen teilzunehmen. Auch ein Zusammensein mit der ganzen Familie ist meist unmöglich. Denn bei einigen lebt ein Teil der Familie isoliert in den russisch besetzten Gebieten, bei anderen sind die Männer an der Front oder Verwandte sind erst kürzlich gestorben.
In Kyjiw ist trotz des großen Angebots an Osterdekoration, Süßigkeiten und den traditionellen süßen Osterbroten Pasky von Freude über den bevorstehenden wichtigsten orthodoxen Feiertag wenig zu spüren. Die meisten Pasky liegen kurz vor dem Fest immer noch in den Supermarktregalen.
Keine Festtagsfreude
„Ich kaufe eine kleine Paska, wir färben Eier und das war’s. Irgendwie fehlt die Osterfreude, die wir früher hatten“, sagt Anastasia. Erst vor kurzem ist sie mit ihrer kleinen Tochter aus Deutschland zurückgekehrt, wo sie über ein Jahr als Flüchtling gelebt hat. So wie Anastasia geht es vielen Menschen in Kyjiw. Der Rentner Pjotr Wassiljewitsch ist Fatalist. „Wie bereite ich mich auf Ostern vor? Ich plane einfach, es zu überleben“, sagt er ironisch.
In Kyjiw und anderen ukrainischen Städten werden die Sicherheitsmaßnahmen zu Ostern verstärkt, da die örtlichen Behörden mit Raketenangriffen aus Russland rechnen. Polizist*innen werden verstärkt in Kirchennähe präsent sein und im Falle von Luftangriffen bei der Evakuierung der Menschen in die nächstgelegenen Schutzräume helfen.
Ausgangssperren trotz Osternacht
Trotz der traditionellen Osternachtsgottesdienste bleibt die Ausgangssperre von 0 bis 5 Uhr bestehen. Deshalb dürfen nur Geistliche und eine begrenzte Anzahl von Gemeindemitgliedern an den nächtlichen Gottesdiensten teilnehmen. Erst nach dem Ende der Ausgangssperre wird es am Morgen des Ostersonntags möglich sein, den Gottesdienst zum Entzünden der Osterkerzen zu besuchen.
In den Gemeinden wird allerdings dringend darum gebeten, an diesen Tagen nicht in die Kirchen zu gehen und die Gottesdienste möglichst im Fernsehen oder auf Youtube zu verfolgen. „Im Land herrscht Krieg, und unserem Feind ist nichts heilig. Selbst am Tag der Auferstehung des Herrn haben wir nur Böses zu erwarten“, wandte sich der Leiter der Stadtverwaltung, Serhij Popko, an die Einwohner*innen der ukrainischen Hauptstadt.
Trotz dieser Einschränkungen sind in einigen Parks und Naherholungsgebieten in Kyjiw und Umgebung österliche Veranstaltungen geplant, so zum Beispiel im Freilichtmuseum Pirohowo. Auf dem Programm stehen Spiele, Tänze und Gesang. Die Organisator*innen versprechen, dass man dabei in die Atmosphäre des ukrainischen Osterfestes eintauchen kann.
Ostern an der Front und unter russischer Besatzung
Tetjana aus Kyjiw möchte mit ihren Kindern dorthin, trotz ihrer Sorge vor möglichem Beschuss. „Ich möchte, dass mein Sohn und meine Tochter von klein auf mit ukrainischen Traditionen vertraut gemacht werden. Das ist sehr wichtig, denn Russland versucht mit aller Macht, unsere Kultur zu zerstören. Wir können jetzt nicht zu meinen Eltern fahren, um meinen Kindern zu zeigen, wie wir traditionell Ostern feiern. Meine Eltern leben jetzt unter russischer Besatzung am linken Dnipro-Ufer der Region Cherson“, sagt Tetjana. Sie hofft, das nächste Osterfest wieder im Elternhaus zu feiern.
„Auch wenn ich nicht in die Kirche gehen kann, bete ich für den Frieden in der Ukraine und für den Sieg über den Aggressor“, sagt die 80-jährige Lidiia Iwaniwna, während sie zwölf kleine Pasky aus dem Ofen holt, die sie nach eigenem Rezept gebacken hat. Einige wird sie Ostersonntag ihren Enkeln servieren, die anderen ihrem Sohn schicken, der jetzt in der Armee dient.
Traditionell grüßen sich die Ukrainer*innen zu Ostern mit den Worten „Christus ist auferstanden“. Und seit zwei Jahren fügen sie hinzu: „Auch die Ukraine wird auferstehen“ – in der Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges.
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