Pressefreiheit unter Javier Milei: Weniger Stimmen und Demokratie

Argentiniens neue Regierung schadet der Pressefreiheit. Seit der Diktatur gibt es bei der Herstellung von Zeitungspapier Monopole.

Javier Milei auf dem Titel der Zeitung Diario Popular nach seinem Wahlsieg

Ein Feind von Vielfalt und Pressefreiheit: Javier Milei Foto: Agustin Marcarian/reuters

CÓRDOBA taz | Am 1. April vor 40 Jahren erschien die erste Ausgabe von El Diario del Centro del País in der Stadt Villa María in der argentinischen Provinz Córdoba. Die Morgenzeitung, die 1984 ganz bescheiden als El Diario de Villa María und zehn Jahre später als El Diario del Sur de Córdoba in den Straßenverkauf ging, wurde 2001 von ihren Eigentümern aufgegeben und von ihren in einer Genossenschaft zusammengeschlossenen Mitarbeitern übernommen.

Das marode Schiff, das mit kaum 1.300 Exemplaren pro Tag in einer Stadt mit 90.000 Einwohnern auf dem Trockenen saß, hat seinen Kurs korrigiert und seine Auflage auf 5.400 Exemplare vervielfacht, mit Spitzenwerten von 7.400 an Sonn- und Montagen einschließlich umfangreicher Sportbeilagen. Man kann sagen, die „Titanic“ überquerte die Eisgrenze und das Orchester spielte bereits die Hymne „Todavía cantamos“ („Immer noch singen wir“).

Aber die Covidpandemie stoppte das Wachstum der Printausgabe von El Diario. Weil es weniger kulturelle und sportliche Veranstaltungen gab, stieß die Berichterstattung auf weniger Interesse und das führte zu einer Verringerung des Seitenumfangs. Auch sank die Auflage auf die Hälfte. Doch die Genossenschaft verstärkte die Onlineredaktion, und so kam es zu einem quantitativen Sprung im Digitalen. Die Online-Version hat heute 420.000 Leser pro Monat sowie 43.000 Follower auf Facebook und 44.000 auf Instagram.

Das ewige Problem: Monopol der Herstellung von Papier

Als im vergangenen Dezember die Regierung von Javier Milei ihr Amt antrat, hatte dies keinen direkten Einfluss auf die Situation von El Diario. Denn unsere Zeitung hatte ohnehin keine Anzeigen der nationalen Regierung erhalten. Ein indirekter Einfluss des Regierungswechsels besteht aber vielleicht darin, dass unsere Leser durch Mileis Reformen abrupt an Kaufkraft verloren haben.

Das zentrale Problem argentinischer Printmedien liegt im Monopol der Herstellung von Zeitungspapier. Es liegt seit der Diktatur von General Jorge Rafel Videla (1976–1983) in den Händen von Papel Prensa. Die Firma gehört der Clarín-Gruppe, die eine nationale Tageszeitung, Provinzzeitungen, Radiosender und TV-Kanäle besitzt. Diese dominante Position nutzt die Gruppe, um den Papierpreis beliebig festzulegen mit dem Effekt, dass sie andere Zeitungen übernahm, wie etwa La Voz del Interior in Córdoba oder Los Andes in Mendoza.

Die „Freiheit“ von Milei, die der Vater der argentinischen Demokratie Raúl Alfonsín definieren würde als „Freiheit des freien Fuchses im freien Hühnerstall, die freien Hühner zu fressen“, begünstigt Monopole – und damit die Macht des Stärkeren. Das ist der Schaden, den die derzeitige Regierung der freien Presse zufügt. Am 1. Januar wurde die Zeitung El Independiente in La Rioja nach 64 Jahren eingestellt. Am 1. März stellte Ámbito Financiero in Buenos Aires nach 47 Jahren ihr Erscheinen ein.

Weniger Zeitungen bedeuten weniger Stimmen und damit weniger Demokratie.

Der Autor ist Vorsitzender der argentinischen Genossenschaft Comunicar, die „El Diario del Centro des País“ herausgibt, und arbeitet dort auch als Redakteur

Argentinien: Rangliste der Pressefreiheit: Platz 66

Dieser Artikel ist am 3. Mai 2024 als Teil einer gemeinsamen Sonderbeilage der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen zum Tag der Pressefreiheit erschienen. Weitere Infos hier.

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