TV-Schimmelreiter goes Klimakrise: Durchtherapierte Schnippigkeit

Viel Bohei wird gemacht, weil Robert Habeck, Ehemann der Schriftstellerin Andrea Paluch, an der Romanvorlage zu dem Film mitgewirkt hat. Alles umsonst!

Ein Mann und zwei Frauen, davon eine auf einem Pferd sitzend, treffen sich an der Nordsee bei Ebbe.

Alte Bekannte: Iven (Anton Spieker, li) und Wienke (Philine Schmölzer, Mitte) treffen auf Ann-Grethe (Janina Stoppe, r) Foto: Christine Schroeder/ard degeto/nordfilm gmbh

Muss denn tatsächlich immer die Jugend alles rausreißen? Wir Älteren haben das Klima versaut und verharren auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen im Nach-mir-die-Sintflut-Modus. Gerecht ist das dann nicht, dass eine 26-jährige Philine Schmölzer als Hauptdarstellerin daherkommt und einen ganzen Film rettet, der ohne sie das Niveau Schmonzette kaum überschreiten würde.

So aber ist die „Schimmelreiter“-Adaption „Die Flut – Tod am Deich“ zwar immer noch zu lang und musikalisch mal nervtötend, mal unterkomplex unterlegt, aber eben doch sehenswert. Schmölzer ist dabei immerhin schon 26, eignet sich aber die durchtherapierte Schnippigkeit ihrer deutlich jünger angelegten Protagonistin Wienke Haien souverän an, auch wenn kleinste Modulierungsreste ihre zur Nordseestory nicht recht passende österreichische Herkunft verraten.

Wienke heißt zunächst Elisabeth Schmidt und lebt als Vollwaise mit ungeklärter Herkunft in einer Einrichtung für betreutes Wohnen für Jugendliche und junge Erwachsene in Hamburg. Durch Zufall trifft sie auf Iven (Anton Spieker), der auf dem Kiez als Türsteher arbeitet. Von ihm erhofft sie sich Aufklärung über ihre wahre Identität und das Schicksal ihrer Eltern. Unter lautstarken Auseinandersetzungen und mit ihrem Ersparten gelingt es ihr, den cholerischen jungen Mann dazu zu bringen, mit ihr ins Nordseedorf Stegebüll zu fahren, das vor vielen Jahren von einer verheerenden Sturmflut getroffen worden ist. Bei ihr sollen Wienkes Eltern umgekommen sein.

Es handelt sich also um eine Art Besuch der jungen Dame, deren Wiederkehr mit Aufklärung und mit Ansprüchen verbunden ist und insofern natürlich auf Widerstände bei der einheimischen Bevölkerung stößt. In Rückblenden und mal dramatischen, mal komischen Szenen klärt sich die ganze Angelegenheit dann auf. Das Mysteryelement wird dabei einfach durch lange Einstellung gelöst, bei denen nichts passiert. Wenn man das mal kapiert hat, drückt man schnell in der Mediathek die Vorlauftaste des fast zwei Stunden langen Films.

„Zur Auflockerung“

„Die Flut – Tod am Deich“, Sa., 20.15 Uhr, ARD

Bei der ganzen Sache wird man den Verdacht nicht los, dass es sich hier um ein Produkt handelt, das als wesentlichen Gebrauchswert den hat, dereinst im Deutschunterricht eingesetzt zu werden, „zur Auflockerung“, wie man uns schon vor Jahrzehnten in regelmäßigen Abständen drohte.

Dahinter steckt vermutlich immer die Idee, es sei eine Überforderung, den „Schimmelreiter“ im Original zu lesen und dann mit sich allein sowie im Klassenverband auszuhandeln, was an der Lektüre relevant, was tödlich langweilig (wobei das auch relevant sein kann) oder aktuell zu gebrauchen sei.

In der Ankündigung wird recht viel Bohei darum gemacht, dass der Film auf dem Roman „Hauke Haiens Tod“ von Andrea Paluch und ihrem Mann Robert Habeck basiert, wobei dieses Buch wiederum eine „Schimmelreiter“-Bearbeitung ist. Um die Themen, die den Ma­che­r:in­nen der „Flut“ gewiss am Herzen liegen, in Szene zu setzen, brauchte es aber diesen doppelten Bildungsballast gar nicht. Wir – und die Jugend erst recht – wissen schon, was Sache ist, wenn Deichgraf Hauke sagt: „Du hast ja auch schon mal vom Klimawandel gehört, ’ne? Der Meeresspiegel steigt. Wir müssen jetzt was unternehmen!“

Neben der großen Kunst von Philine Schmölzer hat der Film dann auch zwischenmenschliche Konfliktebenen, die funktionieren. Und die Welt retten ist am Ende ja immer richtig.

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