A. Lee ist Kopf der Bauernproteste: Bodenständig rechts
Wofür kämpft Anthony Lee, Bauernprotest-Sprecher und Kandidat der Freien Wähler bei der Europawahl? Er fischt jedenfalls in extrem rechten Gefilden.
„Die Energiewende – Chance oder Risiko“ hieß etwa eine gemeinsame Veranstaltung in Nienburg Mitte März. Es sollte an diesem Abend um Kritik an der Windkraft gehen, offen war man aber auch für ganz andere Fragestellungen: Die Gäste wurden aufgefordert, sich in eine Unterschriftenliste der Freien Wähler gegen das Gendern einzutragen: „Kein Zwang zu falschem Deutsch. Stoppt das Gendern für Niedersachsen!“
Als Referent eingeladen war Anthony Lee, Bundessprecher von „Land schafft Verbindung“ und Kandidat der Freien Wähler für die Europawahl. Mittlerweile ist er einer der einflussreichsten Köpfe der Bauernproteste – und über die versucht sich die Partei aktuell besonders zu definieren.
Verhaltener Applaus
Zunächst aber hielt Fritz Vahrenholt den Eingangsvortrag vor etwa 100 Gästen im Saal und 200 Interessierten im Online-Livestream. Der umstrittene SPD-Politiker und ehemalige Hamburger Umweltsenator ist einer der bekanntesten Klimawandelleugner in Deutschland. In seinem Vortrag in Nienburg warnte er vor einer Wirtschaftsflaute und einer De-Industrialisierung Deutschlands durch den Ausbau von Windkraft. Die globale Erwärmung versuchte Vahrenholt mit Zahlenkolonnen und Tabellen positiv zu framen: „Die Früchte werden größer“, so der Referent, man könne sehen, „wie schön das zuwächst, die Sahel-Zone“.
Der Applaus war verhalten, nur etwa die Hälfte der Anwesenden klatschte. In Niedersachsen, fuhr Vahrenholt fort, gebe es einen riesigen unterirdischen „Erdgas-Schatz“; er warb dafür, das seit 2017 verbotene Fracking wieder zu ermöglichen. Auch das aber kam bei zahlreichen Gästen nicht gut an. Von Fracking Betroffene aus Uchte und Vogtei meldeten sich kritisch zu Wort, nicht wenige verließen den Raum.
Lee als nachfolgender Redner versuchte sich in Schadensbegrenzung: „Alles Fakten, alles wahr“, sagte er über Vahrenholts Vortrag. Er warnte vorm „Canceln“: Was sein Vorredner gesagt habe, was er nun sagen werde, das müssten nicht alle teilen, darüber müsse aber geredet werden. Das nenne man „Diskurs“.
Gezielt versuchte er sich als bodenständiger Nachwuchsagrarier zu gerieren. Kam sein Vorredner im Anzug, trat er in Hemd und Jeans auf. Gegen Ökologie habe er nichts, nur sehr viel gegen die Grünen. Er sei „heute Abend nicht wegen seiner Kandidatur hier“ und er wolle niemanden überzeugen, ihn zu wählen, „überhaupt nicht, um Gottes Willen“.
Gerade sei er 48 geworden, verheiratet, drei Kinder, zwei Töchter – und einen Sohn. „Ganz sicher“ betont er hinsichtlich des Geschlechts. Die Anspielung auf die Gender-Debatte kommt an, es gibt Lacher und Applaus.
Anthony Lee ist es gewohnt, Zuspruch zu bekommen. Der Landwirt aus Rinteln hat bei Facebook 120.000 Follower, bei Youtube haben 90.000 Menschen seinen Kanal abonniert. Im Rintelner Stadtrat stimmt er seit seinem Austritt aus der CDU als Mitglied der Freien Wähler weiter mit CDU und FDP in einer gemeinsamen Gruppe ab.
Fischen in extrem rechten Gefilden
Er fischt aber auch in extrem rechten Gefilden und agiert vielfach populistisch. So gab er dem verschwörungslastigen Sender AUF1 mehrfach Interviews. Im Gespräch mit der rechten „Werteunion“ behauptete er 2023, dass die europäische Politik Berufsverbote für Landwirte und Enteignungen wolle; kürzlich fand er bundesweit Beachtung, als er fantasierte, die Politik wolle das Land der Bauern, um Wohnungen für Flüchtlinge zu bauen.
An diesem Abend überzeugte Lee nicht, viele Besucher gingen vorzeitig. Einen Unterstützer fand er dann doch noch: Einem Reichsbürger aus Asendorf gefiel das Event; er unterschrieb das Bürgerbegehren der Freien Wähler gegen das Gendern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen