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das portraitAngela Kane ist Göttinger Friedenspreisträgerin

„Das Wichtigste ist, dass man auch für andere Argumente ein offenes Ohr hat“, sagt Angela Kane. Das habe sie in ihren 37 Jahren bei den Vereinten Nationen (UN) über Konfliktlösung gelernt. Die 75-Jährige nahm bei der Organisation unterschiedliche Positionen ein, zuletzt bis 2015 als Hohe Repräsentantin für Abrüstung. Das bisher höchste Amt, das eine Deutsche bei der UN innehatte. Für ihren jahrelangen Einsatz für Frieden erhielt Kane 2016 das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik. Anfang März kam eine weitere Auszeichnung hinzu: Der mit 10.000 Euro dotierte Göttinger Friedenspreis.

In ihrer Zeit bei der UN vermittelte die in Hameln geborene Kane bei vielen Konflikten: bei einer Geiselnahme in Teheran, bei Friedensverhandlungen in El Salvador oder im Grenzkonflikt zwischen Äthiopien und Eritrea.Die Diplomatin ist überzeugt von den Zielen der UN: „Unsere Probleme sind grenzüberschreitend und wir können nur als globales Projekt existieren“, sagte sie in ihrer Dankesrede.

Besondere internationale Aufmerksamkeit erhielt sie 2013, als sie die Chemiewaffenuntersuchung in Syrien verantwortete. Es galt festzustellen, wer für den Einsatz von Giftgas im Bürgerkrieg verantwortlich war. Heute erinnert sie sich anden Einsatz als die größte Herausforderung ihrer gesamten Karriere. Sie war selbst in Damaskus und ermittelte mit einem Team vor Ort. Die Mission im Kriegsgebiet sei schwierig gewesen: schon am ersten Tag geriet ihr Konvoi unter Beschuss, erzählt Kane. Die Kommunikation mit dem Hauptsitz in New York sei abgeschnitten gewesen,die ganze Verantwortung und die Entscheidung den Einsatz fortzuführen, sei bei ihr gelegen. „Nichts für schwache Nerven“, sagt Kane. Am Ende trug die Mission dazu bei, dass die Assad-Regierung der Vernichtung der chemischen Waffen zustimmte.

Eigentlich hatte Kane nie geplant, bei der UN anzufangen. Als sie sich 1977 in New York bewarb, habe das vor allem daran gelegen, dass sie in den USA keine Arbeitserlaubnis hatte. Die UN sei der einzige Weg gewesen, an ein Visum zu kommen, erzählt sie. Zunächst arbeitete sie als Lektorin für das UN-Jahrbuch. „Ein langweiliger Bürojob“, sagt Kane. Dann eröffnete sich ihr die Möglichkeit im Team des Generalsekretärs anzufangen. Damit begann ihrediplomatische Karriere.

Wenn die 75-Jährige von ihren Erfahrungen erzählt, merkt man, wie wichtig es ihr ist, die betroffenen Menschen und die Konflikte zu verstehen. Die Missionen „im Feld“ seien das Interessanteste an der Arbeit bei der UN gewesen, sagt Kane. Also Einsätze, die vor Ort in den Mitgliedsländern stattfinden.

„Immer abrufbereit sein, kaum Urlaub haben und die langen Auslandsaufenthalte waren irgendwann sehr anstrengend“, sagt Kane. 2015 ging sie in den Ruhestand.

Die Erholungsphase hielt nicht lange an. Die 75-Jährige engagiert sich seit sie die UN verließ in zahlreichen Gremien und Verbünden zu Abrüstungsfragen insbesondere hinsichtlich nuklearer Waffen. Einiges an der aktuellen Weltsituation bereite ihr Sorgen. Doch sie habe auch Hoffnung: „Die junge Generation wurde durch die Klimakrise wachgerüttelt“, sagt Kane. Sie findet es wichtig, dass Jugendliche mehr über die Arbeit der UN erfahren. Deswegen spendet sie ihr Preisgeld an die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, die unter anderem in Schulen über die UN informiert. Clara Dünkler

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