„Baller League“-Projekt auf Twitch: Ball ist rund, Klicks sind gut

In der Baller League führen Promis Amateurfußballer durch ein absurdes Hallenturnier. Die angekündigte Revolution des Fußballs ist das aber nicht.

Ein tätowierter Arm mit einem Mikrofon.

Trainierte Arme vom Kampfsport, jetzt auch Fußballtrainer: Rapper Kontra K Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Anpfiff. Gönrgy Allstars gegen Käfigtiger. Sechs Spieler pro Team betreten das Feld, rotes Licht flackert durch die zur Fußballarena umgebaute Motorworld in Köln, Hip-Hop-Sounds dröhnen aus den Lautsprechern. „Zu den bekannten Beats gehts aufs Feld“, beschreibt der Kommentator die Szene. Dem Publikum, ein paar Hundert Leuten hier in der Halle und über 900.000 weitere auf den Streaming-Plattformen Twitch und Joyn, wird eine Show geboten. Ein Spiel pro Abend läuft zusätzlich auch im Free-TV bei ProSieben MAXX.

Es ist Montagabend, 12. Februar, der 4. Spieltag der neuen Baller League. Bis Anfang April kicken in dieser Liga jeden Montag 12 Teams, bestehend aus Amateurfußballern, im Kleinfeldfußball-Modus gegeneinander. Unter den besten vier Teams wird dann der erste Sieger der Baller League erspielt. Sie wurde von Mats Hummels und Lukas Podolski, den Fußball-Weltmeistern von 2014, gegründet. „Unvorhersehbarer, echter und technischer Fußball – ohne Politik. Ohne Taktik“, das wird auf der Website der Baller League versprochen. Bolzplatz-Feeling also – „für alle Fußballfans, aber auch für alle, die es noch nicht waren.“.

Das Spiel der Gönrgy Allstars gegen die Käfigtiger beginnt aber zäh. Bereits nach sieben Sekunden versammeln sich sechs Spieler zu einem Massenzweikampf. Ein Akteur der Allstars kommt mit dem Ball davon, verliert diesen jedoch schnell an die Auslinie. Ähnlich gestalten sich die nächsten Minuten: viele Zweikämpfe, viele Ballverluste, wenig fußballerische Klasse. Der erste Torschuss der Käfigtiger kommt vom eigenen Torhüter, der von der Mittellinie abzieht. Beim Schussversuch rutscht er aus, der Ball kullert einen guten Meter am Tor vorbei. Guten Fußball bekommen die Fans bei der Baller League also nur bedingt geboten.

Kein hohes Niveau

Es handelt es sich beim Großteil der Spieler um Amateure. Das soll nicht heißen, dass es schlechte Fußballer sind. Trotzdem, die Champions League sieht anders aus. Zudem trainieren die Teams der Baller League nicht gemeinsam. So kann zumindest das Versprechen von Fußball „ohne Taktik“ eingehalten werden. Dem Spielfluss kommt das aber nicht zugute.

Überschaubares fußballerisches Niveau und unbekannte Amateurfußballer also. Die Vermutung liegt nahe, dass das nicht die Hauptgründe für die hohen Einschaltquoten sind. Die wahren Zuschauermagneten sind wohl die Teammanager: Der Coach von Gönrgy Allstars ist zum Beispiel der Streamer MontanaBlack, der auf Twitch über fünf Millionen Abonnenten zählt.

Das erklärt auch den Namen seines Teams, MontanaBlack produziert einen gleichnamigen Energydrink. Weitere prominente Manager der Baller-League-Teams sind Weltmeister Christoph Kramer und Vize-Europameisterin Jule Brand, die Fußballerin Alisha Lehmann oder die ehemaligen Profis Max Kruse und Kevin Prince Boateng. Auch Lukas Podolski ist Teil eines Trainerteams.

Spieler auf einem Fußbalfeld in einer Halle.

Ein Baller-League-Spiel in der Motorworld in Köln Foto: Eibner-Presse/imago

Außerdem ist eine ganze Reihe an Internetstars, Youtubern, Influencern, Comedians und Musikern am Start: Felix Lobrecht, Sascha Hellinger, Knossi, Gamerbrother, Kontra K. Auf Social Media haben sie alle eine riesige Reichweite.

Fußball nicht nur für Fußballfans

Zum Publikum dieser Personen gehören nicht nur Fußballfans. Und damit dieses Publikum dranbleibt, muss der Fußball besonders kurzweilig sein. In der Baller League wird daher nur 15 Minuten pro Halbzeit gespielt, in den letzten 3 Minuten jeder Halbzeit wird zufällig eine Sonderregel, genannt Game­changer, eingeführt, um für extra Spannung zu sorgen.

Zum Beispiel zählen dann Tore doppelt oder nur noch Tore per Volley. Und nach dem 2. Spieltag wurden kurzerhand Eckbälle abgeschafft, da die zu wenige Torchancen ergaben. Seitdem heißt es: Drei Ecken ergeben einen Elfmeter. Die sind übrigens auch keine klassischen Elfmeter, denn die wurden als zu langweilig befunden. Stattdessen wird ein Penalty wie beim Eishockey ausgeführt: Ein Spieler darf von der Mittellinie aus ungestört auf das gegnerische Tor zulaufen und muss den Torhüter im Eins-gegen-eins bezwingen.

Bei Gönrgy gegen Käfigtiger steht es zur 12. Minute 1:0 für das Team von MontanaBlack, als der Gamechanger „3Play“ zum Zug kommt – statt sechs gegen sechs wird plötzlich nur noch drei gegen drei gespielt. Den zusätzlichen Platz wissen die Teams prompt zu nutzen, nach fast jedem Angriff ertönt die fetzige Tormusik. Schlussendlich steht es zur Pause 3:2. Für Action sorgen die Gamechanger also allemal.

Die zweite Halbzeit hat zunächst etwas mehr Spannung zu bieten, fällt dann aber wieder in Trance. Kurz vor Schluss kommt aber der entscheidende Siegtreffer von Gönrgy. Endstand: 5:4.

Das Spiel hat nicht alle überzeugt – trotz aller Sonderregeln. Ein User auf Twitch schlägt eine Namensänderung der Käfigtiger zu Käfigkätzchen vor. Zumindest Fans von ausschweifenden Jubelszenen kamen aber auf ihre Kosten, als MontanaBlack nach Abpfiff aufs Spielfeld stürmte, um den ersten Sieg seiner Gönrgy Allstars zu feiern.

Alles wird gefilmt

Kein Promi-Moment darf hier verpasst werden. Während der Youtuber seine Spieler innig umarmt und in einer Jubel­traube umherspringt, stehen fünf Leute mit Kamera und Smartphone bereit, um jede Emotion einzufangen. Das Vorbild der Baller League kommt aus Spanien. Die 2022 von dem ehemaligen Barcelona-Star Gerard Pique gegründete Kings League funktioniert ähnlich wie die Baller League und generiert ebenfalls hohe Klickzahlen. Die Finalrunde der ersten Saison lockte im März vergangenen Jahres 92.522 BesucherInnen in Barcelonas Camp-Nou-Stadion.

Doch das Vorbild der deutschen Baller League kann schnell zur Konkurrenz werden, die Kings League will expandieren. In Zukunft soll es acht bis zehn nationale Wettbewerbe geben, dabei ist der deutsche Markt auch ein Thema.

Und dann gibt es da auch noch die Icon League. Die wurde von Weltmeister Toni Kroos und dem Livestreamer Elias Nerlich ins Leben gerufen, soll noch dieses Jahr in Deutschland an den Start gehen und basiert auf demselben Konzept: Kleinfeldfußball mit Promi-Teammanagern. Derzeit sind unter anderem David Alaba und Rapper Luciano als Coaches bestätigt.

Unterdessen sorgt die Baller League für erste Kontroversen. Der FV Bonn-Endenich 1908 trennte sich von fünf Spielern, nachdem diese lieber bei der Baller League spielten, anstatt dem Verein im Abstiegskampf zu helfen. Der Fünftligist steht in der Mittelrhein-Liga derzeit auf Platz 14, einen Punkt entfernt vom letzten Nichtabstiegsplatz.

Sportdirektor Markus Köppe äußerte seinen Unmut darüber in einem Facebook-Video: „Der Fokus auf den Abstiegskampf hat sich völlig verschoben, es ging nur noch um die Baller League. Wie ein Virus hat sich das Ding bei uns durch die Kabine gezogen. Auch der Li­ga­kon­kur­rent Siegburger SV strich zwei Spieler aufgrund eines Engagements bei der Baller League aus dem Kader. Pro Spiel verdienen die Spieler in der Baller League derzeit 250 Euro, in Zukunft soll es noch mehr werden. Damit können die Amateurvereine finanziell nicht mithalten.

Auch wenn die Baller League das behauptet: Eine Rückkehr zu den Wurzeln des Fußballs ist sie mit ihren Promis und Streamern jedenfalls nicht. Die findet man dann doch eher beim FV Bonn-Endenich 1908 oder den vielen anderen Amateurvereinen des Landes.

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