Performerin über „Stutenbiss“: „Davon profitiert nur das System“

Feminismus und Eifersucht: Anna-Lena Hitzfelds „Stutenbiss“ setzt sich in Lübeck mit dem sexistischen Stereotyp rivalisierender Frauen auseinander.

Eine Frau liegt am Boden und schaut hoch

Spielt Maria Stuart und Elisabeth an einem Abend: Anna-Lena Hitzfeld Foto: Jan Merkle

taz: Frau Hitzfeld, wann beißt die Stute zu? Und was hat die ganze Herde damit zu tun?

Anna-Lena Hitzfeld: Wir beißen zu, wenn wir unsicher sind. Den Gedanken „Es kann nur eine geben“ haben Kapitalismus und Patriarchat in uns genährt. Wer hat was davon, dass wir uns gegenseitig beißen? Ich nicht, auch wenn ich dich blutig gebissen habe – davon profitiert nur das System. Eine Rolle spielt auch das Verboten-Sein dieser Empfindung, denn der Raum gesellschaftlich nicht geächteter Weiblichkeit ist immer noch klein. In „Stutenbiss“ geht es nicht nur um das sexistische Stereotyp rivalisierender Frauen, die „Stutenbissigkeit“ – was nur schwer übersetzbar ist, denn das ist ein sehr deutscher Begriff. Sondern es geht auch um die feindseligen Projektionen in unseren Erzählungen. Die praktizierte Alternative in der Performance ist die Schwestern- und Geschwisterschaft.

Warum haben Sie Schillers Maria Stuart und Elisabeth gewählt, um ein Spannungsverhältnis zwischen zwei konkurrierenden Rivalinnen darzustellen?

Weil es ein bedeutungsschwangerer Stoff ist, der mit einer feministischen Brille Neues offenlegt. Die historischen Frauen gibt es und sie sind komplexer als Schillers romantisierte Erzählung, die in erster Linie Kunstfiguren erschaffen hat – natürlich grandios geschrieben. Es ist aber bemerkenswert, dass es um diesen Riesenkonflikt zwischen zwei Frauen geht, die sich nur in einer Schlüsselszene begegnen. Es wird viel über sie gesprochen, mit ihnen über die jeweils andere, überwiegend von Männern. Wer nährt das jeweilige Bild der Konkurrentin? Aus meiner Perspektive als Schauspielerin sind das natürlich Figuren, die alle irgendwann mal spielen wollen. Die Rolle der Maria Stuart bevorzugt, da sie stereotypisch als „aufregender“ wahrgenommen wird.

1991 in Tübingen geboren, hat Kunstgeschichte und in Hannover Schauspiel studiert. „Stutenbiss“ ist ihr Debüt als freie Theaterschaffende.

Sie haben sich den Traum erfüllt, beide zu spielen?

Ja, ich gehe in beide Rollen – auch in Elisabeth, die vermeintlich „vertrocknete“, „bissige“ Frau. Oft zitiere ich aber nur an, denn neben dem Schauspielteil gibt es auch noch einen performativen Part, eine Alltagsanalyse. Ich habe hierfür Interviews mit unterschiedlichsten Frauen geführt und mir unsere Popkultur angeschaut, um das Thema „Stutenbissigkeit“ zu beleuchten. Dazu lade ich mir auch zu jeder Vorstellung eine Überraschungsgästin für ein vertiefendes Gespräch mit dem Publikum ein.

Inwiefern hat der „männliche Blick“ Ihre Wahrnehmung von literarischen Klassikern in der Vergangenheit vereinnahmt?

Ich war ein typisches Theaterkind und habe früher den Hochkulturkanon hoch und runter gelesen. Seitdem ich mit dem Stuttgarter Feministischen Frau­en*­gesund­heits­zen­trum meinen Blick dahingehend geschärft und mich Maria Stuart noch mal mit einer neuen, feministischen Brille gewidmet habe, lese ich nicht nur ein spannendes Drama. Sondern ich werde mir vor allem der Geschichtserzählung und Erzählperspektive bewusst, die von einem männlichen Blick geprägt ist.

Egal wie reflektiert, internalisierter Sexismus kann in uns hochkochen. Wie lebt man mit diesen Widerspruch – Feministin und eifersüchtig auf eine erfolgreiche Frau?

Premiere am 7.3., 20 Uhr, Theater Lübeck/Studio; weitere Termine: 22.3., 6. 4., 19. 4.

Indem wir lernen, Widersprüche auszuhalten. Das ist ein schwieriger, schmerzhafter Prozess. In „Stutenbiss“ will ich praktizieren, sich mit diesen Widersprüchen auseinanderzusetzen, aber auch mit dem Bild der vermeintlich „besseren“ Frau in Kontakt zu treten. Erst in der Auseinandersetzung miteinander wird klar, dass wir alle Verunsicherung verspüren. Es geht darum, eine gesunde Akzeptanz damit zu finden und sich zu fragen: „Was steckt dahinter?“

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