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Konflikte in OstfrieslandEin Tierarzt auf Anti-Nabu-Mission

In Ostfriesland knöpft sich der Tierarzt und Aktivist Hansjörg Heeren mal wieder den Nabu vor. Dieses Mal geht es um ein Vogelschutzgebiet.

Den Nachwuchs im Blick: Kiebitz mit einem Jungen Foto: Dieter Damschen/dpa

Hannover taz | Man kann nicht sagen, dass Hansjörg Heeren, Tierarzt aus Ihlow in Ostfriesland, ein großer Influencer ist. Sein Youtube-Kanal hat gerade einmal 169 Abonnenten. Die Videos tragen Titel wie „Nabu Naturmurks statt Naturschutz“, „Nabu und Landkreis Aurich zerstören unsere Natur“ oder „Baumterror im Vogelschutzgebiet“. Interessant sind sie aber, weil Heeren lokal für einigen Wirbel sorgt.

Er und der „Friesische Verband für Naturschutz“ (FVN), den er mitgegründet hat und dem er vorsteht, haben zum Beispiel eine Anti-Wolfs-Demo in Aurich organisiert, zu der immerhin 3.000 Menschen kamen.

Damit und mit den „Mahnfeuern“, die sie an verschiedenen Stellen entzündet haben, hat er es jüngst auch in eine NDR-Dokumentation geschafft. Im vergangenen Jahr brachten Hinweise von ihm und seinen Mitstreitern ein großes Weideprojekt des Nabus in Leer zu Fall.

Jetzt hat er im Landkreis Aurich ein neues Objekt gefunden, dass seinen Zorn erregt: Das Vogelschutzgebiet V09 „Ostfriesische Meere“. Oder genauer gesagt: Die Maßnahmen, die dort ergriffen werden.

Mit Treckergespannen gegen Rodungen

Man muss sich das allerdings ein wenig zusammen reimen, denn in Heerens Videos fehlen ein paar wesentliche Hintergrundinformationen. Dafür zeigen sie sehr schön, wie diese Art von Polemik funktioniert. Los geht das mit einem Video vom 12. Januar: „Baumterror im Vogelschutzgebiet: Nabu & LK Aurich vs. FVN“ heißt es.

„Baumtod im Morgengrauen“ ist das erste Bild unterschrieben. Darin filmt sich Heeren, wie er zusammen mit mehreren Mitstreitern und mindestens zwei Treckergespannen als „Baumeingreiftruppe“ am frühen Morgen ausrückt und mehrere Feldwege bei Bedekaspel blockiert.

Irgendwann nähert sich ein weiterer Trecker, ein Mann steigt aus, fragt auf Platt, was sie denn da machen und ob sie ihn wohl mal durchlassen würden. Heeren stellt sich zunächst dumm: Ein Picknick sei das, so eine Art Frühlingsfest, rein zufällig seien sie hier. Was er denn da wollte? Er habe vom Landkreis die Erlaubnis erhalten, da hinten Bäume zu fällen und das Holz zu entnehmen, erklärt der Mann.

Mitten im Vogelschutzgebiet, ereifert sich Heeren. Unglaublich sei das, wie der Landkreis nicht nur die Umwelt zerstört, sondern auch noch Privatleute seine Arbeit tun lässt. Und das alles in Zusammenarbeit mit dem Nabu und im Auftrag des Nabu. Letztlich sei daran der Masterplan Ems schuld, der müsse sofort gekündigt werden.

Eine große Verschwörung und der Masterplan Ems

Nun sind daran eine ganze Reihe Dinge unklar: Was hat der Nabu mit den Baumfällungen zu tun? Seit wann nimmt der Landkreis Anweisungen vom Nabu entgegen? Was hat der Masterplan Ems mit dem Ganzen zu tun?

Heeren spart nie an starken Worten – in einem späteren Video spricht er auch von einem „Massengrab“ für Bäume –, wohl aber an logischen Erklärungen. Tatsächlich ist das Ganze ja auch ein bisschen kompliziert: Die Baumfällungen sind Teil des Managementsplans für das Vogelschutzgebiet. Sie hatten schon im Herbst 2022 ziemliches Aufsehen und Proteste hervorgerufen, wie die Nordwest-Zeitung damals berichtete.

Das erschließt sich ja auch nicht so auf Anhieb: Bäume fällen um des Naturschutzes willen. Erklärtes Ziel ist es, die früher einmal verbreitete Meeden-Landschaft wieder herzustellen, die vielen bedrohten Wiesenvogelarten Heimat bot.

Meeden sind weitläufige, flache, teils sumpfige Graslandschaften – eher eine Art historische Kulturlandschaft als urwüchsige Natur, früher dienten sie dem Heuanbau, zu viel mehr taugte der feuchte Boden auch nicht. Die Gehölze sind vielfach erst in jüngerer Zeit entstanden, zum Beispiel in aufgegebenen Bewässerungsgräben. Wiesenvögel meiden die Nähe solcher Gehölze, weil sich darin Fressfeinde verbergen. Also müssen sie weg, argumentieren Gutachter und Landschaftsplaner.

Kaum Hintergrundwissen

Nun könnte man sicher über den Sinn oder Unsinn solcher Maßnahmen streiten oder auch darum, ob bei den Rodungsarbeiten alles korrekt gelaufen ist. Der Landkreis Aurich konnte dazu auf Anhieb nicht so richtig Auskunft geben. Für eine sachliche Diskussion müsste man sich aber schon mit diesen Hintergründen befassen.

Die erfährt man nur in Heerens Videos nicht, weil es ihm ja um etwas anderes geht: Die da oben, die mal wieder alle unter einer Decke stecken. Der Landkreis und der Nabu und irgendwie auch die Meyer-Werft.

Das glaubt Heeren, ist nämlich der wahre Hintergrund: Die Meyer-Werft mit ihren Emsausbaggerplänen hat sich die Zustimmung des Nabu erkauft, in dem man ihm Ausgleichsflächen zu schustert und der Landkreis macht mit. Tatsächlich finden sich in diesem Vogelschutzgebiet auch Flächen, die vom Nabu betreut werden und Ausgleichsflächen, die im Rahmen des Masterplans Ems vereinbart wurden. Das sind aber nicht die Flächen, auf denen jetzt diese Fällungen stattgefunden haben, versichert der Nabu.

Aber auch auf Nabu-Flächen ist Heeren fündig geworden: In einem weiteren Video stiefelt er über eine Nabu-Wiese auf der Heuballen vor sich hinrotten. Ja, räumt der Nabu zerknirscht ein, da hat der Abtransport nicht mehr geklappt, weil die Böden zu nass waren.

Das ist allerdings ein Problem, mit dem gerade viele Landwirte zu kämpfen haben. Aber die sind ja nicht im Visier von Dr. Heeren. Und der ist in der Kommunalpolitik offenbar gut vernetzt: Über die Freien Wähler oder auch die CDU gelangen seine Anwürfe schnell in die zuständigen Kreistage – bevor der Nabu reagieren kann.

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1 Kommentar

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  • Für mich als ortsfremden taz-Leser ist dieser Bericht die Fortsetzung der "Schlammschlacht um Weideprojekt" vom Oktober letzten Jahres: der NABU im Konflikt mit Partikularinteressen, für die sich besonders ein Einzelkämpfer mit teils inadäquaten Begriffen wie "Baumterror..." stark macht. Und die so oder so schützenswerte Gegend im Landkreis Aurich, um die es hier geht, wird als 'Meeder' bezeichnet - vielleicht deshalb, weil es dort etwas zu 'mähen' gibt?



    Und von daher scheint es eher um Bodenbrüter zu gehen... Demnach hätte nach meiner Logik der NABU wohl recht, dort Bäume zu Fällen, wo sie nun einmal nicht hingehören.



    Nun könnte ich sagen, die Leute vor Ort werden's schon irgendwie richten. Es gibt aber Hinweise auf ideologische Verhärtungen, wenn z.B. in einem Leserkommentar vom Oktober der NABU ironisch als 'grüne NGO' denunziert wird, die ja 'immer recht habe' - und wenn jetzt im Februar von jenem Einzelkämpfer gesagt wird, seine Devise laute: "Die da oben, die mal wieder alle unter einer Decke stecken..."



    So kommen wir, glaube ich, nicht weiter.