Neue Regierung in Nordirland: Verpasste Chance

Nordirland hätte eine Sonderwirtschaftszone sein und vom Handel mit zwei Größen profitieren können. So aber blickt alles auf eine irische Vereinigung.

Michelle O'Neill und Mary Lou McDonald

Irisches Janusgesicht? Nein, die beiden Damen von Sinn Fein: Michelle O'Neill (l.) und Mary Lou McDonald Foto: Liam Mcburney/dpa

Nordirland hat wieder eine Regierung. So weit die gute Nachricht. Aber die Bedingungen, die an die Rückkehr der Democratic Unionist Party (DUP) nach zwei Jahren Boykott geknüpft waren, bedeuten eine verpasste Chance.

Nordirland hätte sich gegen die negativen Folgen des Brexits, der in Großbritannien Verheerungen angerichtet hat, wappnen können. Das Zusatzprotokoll zum Brexit-Vertrag sowie der später ausgehandelte Windsor-Rahmenplan sahen vor, dass Nordirland im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion bleibt, um eine physische Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zu vermeiden.

Das eröffnete wirtschaftliche Möglichkeiten, die dem Rest des Vereinigten Königreichs verwehrt blieben. Man konnte ungehinderten Handel sowohl mit Großbritannien als auch mit der EU treiben. Eine funktionierende Regierung in Belfast hätte mithilfe dieser Regelung jede Menge ausländischer Großinvestoren anlocken können, denn nirgendwo anders wurde einem das geboten.

Die DUP spielte jedoch nicht mit, weil Nordirland dadurch anders behandelt würde als der Rest des Vereinigten Königreichs. Sie hat sich nicht nur den freien Warenverkehr mit Großbritannien, sondern auch eine „Stormont Brake“, also eine Bremse durch das nord­irische Parlament, zusichern lassen. So lässt sich jede Veränderung von EU-Regeln für Nordirland verhindern.

Nordirland konzentriert sich künftig auf den britischen Markt

Bisher traten solche Regeln automatisch in Kraft. Wenn man in Zukunft neue EU-Regeln zur Umwelt, zu Produktvorschriften, zu Hygienestandards nicht übernimmt, wird die EU den Zugang nordirischer Unternehmen zum Binnenmarkt einschränken. Welcher internationale Investor wird sich auf solche Unwägbarkeiten einlassen?

So hat die DUP die Chance auf einen Schub für die nordirische Wirtschaft zugunsten eines symbolischen Akts geopfert. Nordirland konzentriert sich künftig auf den britischen Markt. Doch wenn man so im Gleichschritt mit Großbritannien in eine Wirtschaftskrise marschiert, könnte die irische Vereinigung an Attraktivität gewinnen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.