Bauern-Proteste in Frankreich: Die Wut ist noch nicht besänftigt

Den Landwirten in Frankreich reichen Zugeständnisse der Regierung nach ihren Protesten nicht aus. Um mehr zu erreichen, belagern sie nun Paris.

Trecker und Protestierende auf einer Straße

Zu wenig Geld, zu viele Vorschriften: Protest auf einer Autobahn nahe Paris Foto: Thomas Padilla/ap

PARIS taz | Innenminister Gérald Darmanin hatte 15.000 Ordnungskräfte samt Panzerfahrzeugen aufgeboten, um die Landwirte mit ihren Traktoren zu stoppen. Sein erklärtes Ziel: sie daran hindern, mit ihren schweren Maschinen bis vor den Präsidentenpalast zu fahren oder den Engros-Markt von Rungis im Süden zu blockieren. Dieser „Bauch von Paris“ ist für die Versorgung mit Nahrungsmitteln von lebenswichtiger Bedeutung. Falls es den Landwirten gelingen sollte, die Hauptstadt so abzuschneiden, würden bereits nach drei Tagen die Frischwaren Mangelware, warnen die Behörden. Seit dem Wochenende haben deswegen Hamsterkäufe begonnen.

Schon während des Wochenendes rollten Dutzende oder Hunderte mit ihren Traktoren in Richtung Hauptstadt, um die Zu- und Ausfahrten der Autobahnen an strategischen Stellen am Montag zu blockieren. Langsam, aber sicher zog sich die Schlinge um Paris zu. Schon vormittags standen die Traktoren auf der A10 in Richtung Le Mans und Nantes bei den Mautschranken in Saint-Arnoult.

Auf ihren gewaltigen Fahrzeugen waren Schilder angebracht: „Notre fin c'est votre faim“ („Unser Ende bedeutet für euch Hunger“), war darauf etwa zu lesen. Die Krise der französischen Landwirtschaft gefährde die Ernährungssicherheit. Nach eigenen Angaben bleibt vielen der demonstrierenden Landwirte, die meistens hoch verschuldet sind, am Ende des Monats ein Einkommen von rund 1.000 Euro oder weniger.

Besonders protestieren sie deswegen gegen den offenen europäischen Markt. Immer wieder ist von der Ukraine die Rede. Eine Geflügelzüchterin behauptet auf Nachfrage, der Preis für ein importiertes Hühnchen sei nur halb so hoch wie für eines aus französischer Produktion.

Liste mit 120 agrarpolitischen Forderungen

Laut dem wichtigsten Verband FNSEA haben die Protestierenden rund 120 agrarpolitische Forderungen aufgelistet, für die sie seitens der französischen Regierung und der EU eine Antwort erwarten. Andere Klagen über Ankaufspreise gehen an die Adresse der Industrie und der Großmärkte, die den Landwirten laut der nationalen Vereinbarung Egalim grundsätzlich einen existenzsichernden Preis garantieren müssen. Mehrfach leerten Landwirte in den letzten Tagen aus Protest ganze Lkw-Ladungen mit importiertem Gemüse oder Obst aus und machten sie so ungenießbar.

Wie auch in Deutschland schimpfen die zornigen Bauern über die „Bürokratie“ und den administrativen „Papierkrieg“ mit Formularen und viel zu lange dauernden Prozeduren. Dem wolle der französische Regierungschef Attal rasch abhelfen, wo immer dies möglich sei, versprach er in der vorigen Woche. Zuvor hatte er zugestanden, dass auf eine Erhöhung der Dieselabgabe verzichtet und der landwirtschaftliche Treibstoff „direkt an der Zapfsäule“ verbilligt werde. Landwirtschaftsminister Marc Fesneau kündigte am Montag zudem neue Maßnahmen der Regierung binnen 48 Stunden an.

Gegenüber Medien sagten die Landwirte, sie seien bereit, ihre Aktion „zwei Tage, eine Woche oder auch länger“ fortzusetzen, bis die Regierung auf ihre Forderungen eingehe. Sie wissen, dass derzeit mehr als 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in Frankreich solidarisch hinter ihnen und ihren Protesten stehen. Innenminister Darmanin will deswegen die Konfrontation gegen blockierende Bauern vermeiden und dort, wo sich Blockaden bildeten, vorab für die Sicherheit sorgen. In Pamiers, südlich von Toulouse, waren am Dienstag letzter Woche eine Landwirtin und ihre Tochter ums Leben gekommen, als ein Auto in eine Sperre von Strohballen raste.

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