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Kritik an Arbeitsbedingungen bei MoiaDie Billig-Chauffeure von VW

Der Shuttleservice Moia will die Verkehrswende gestalten und wird dafür vom Bund gefördert. Die Fah­re­r:in­nen klagen über miese Arbeitsbedingungen.

Sieht so die Zukunft des ÖPNV aus? „Moia“-Flotte wartet auf Fah­re­r:in­nen Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | Für manche sind sie karamellfarben, für andere eher golden. Zumindest sind es kleine Busse, die unter dem Namen Moia seit 2017 in Hannover und seit 2019 in Hamburg unterwegs sind. Seit 2023 sind die Sammeltaxis in Hamburg als „eigenwirtschaftlicher Linienbedarfsverkehr“ offiziell in den ÖPNV integriert. Immer wieder stehen die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung der Fah­re­r:in­nen in der Kritik. Die Gewerkschaft IG-Metall fordert schon länger mehr Geld und eine Tarifbindung.

Zuletzt hatten die Fah­re­r:in­nen im Herbst 2023 zweimal gestreikt, nachdem das Unternehmen Tarifverhandlungen abgebrochen hatte. Am Mittwoch hat das Unternehmen nun erneut die Forderungen abgelehnt.

Susanne Markgraf ist am Ende froh, da raus zu sein. „So kann ich noch in den Spiegel gucken“, sagt die ehemalige Moia-Mitarbeiterin. Markgraf, die eigentlich anders heißt, hat einige Jahre lang bei Moia gearbeitet. Erst als Fahrerin und später war sie als „Driver Manager“ die direkte Vorgesetzte für ein Team von Fah­re­r:in­nen.

Markgraf berichtet der taz von einem Klima der Einschüchterung bei Moia. Als Driver Manager sei sie dazu angehalten worden, dafür zu sorgen, dass die Fah­re­r:in­nen möglichst wenig wegen Krankheit ausfallen. „Hauptthema, wonach Driver Manager bewertet werden, ist: Kommen deren Leute zur Arbeit?“, sagt Markgraf. Dieser Druck werde an die Fah­re­r:in­nen weitergeben. Anrufe bei krank gemeldeten Fah­re­r:in­nen seien die Regel.

Fah­re­r:in­nen werden ständig wegen Kleinigkeiten zum Gespräch gebeten oder abgemahnt, täglich werde Fah­re­r:in­nen gekündigt, sagt Markgraf, meist noch in der Probezeit. Viele hätten deswegen Angst um ihre Jobs und kämen auch krank zur Arbeit.

Fah­re­r:in­nen werden wegen Kleinigkeiten zum Gespräch gebeten, abgemahnt oder gekündigt, sagt eine Ex-Mitarbeiterin

Einmal habe Susanne Markgraf einen Fahrer nach Hause geschickt, der eindeutig nicht mehr habe arbeiten können. „Der war blass wie ’ne wandelnde Leiche und wär’ fast umgekippt“, sagt sie. „Das zu sehen tat schon weh.“

Die Arbeitsbedingungen bei Moia stehen schon länger in der Kritik. Unter anderem hatten Fah­re­r:in­nen kritisiert, dass sie Pinkelpausen erst in einer App beantragen müssen. Aktuell befindet sich die Gewerkschaft in Auseinandersetzung um eine bessere Bezahlung der Fahrer:innen. Die liegt mit 13 Euro pro Stunde zwar über dem Mindestlohn von derzeit 12,41 Euro, aber weit unter dem niedrigsten Haustarif von 17 Euro die Stunde beim Mutterkonzern VW.

Rund 30 Prozent der Fah­re­r:in­nen arbeiten in Teilzeit, die meisten von ihnen hätten noch andere Jobs, um über die Runden zu kommen. „Selbst viele Vollzeitfahrer haben Nebenjobs, weil das Geld am Ende des Monats nicht reicht“, sagt Peter Alexander, Betriebsrat bei Moia.

Moia wirbt offensiv um neue Fahrer:innen, online und mit Aufdrucken auf den Bussen selbst. „Gestalte die Mobilität der Zukunft“, schreibt das Unternehmen und verspricht Voll­zeit­fah­re­r:in­nen inklusive Zuschlägen für Wochenend-, Feiertags- und Nachtfahrten „monatlich durchschnittlich 2.700 Euro“.

In der Realität verdienten die meisten Fah­re­r:in­nen um einiges weniger, sagt Betriebsrat Alexander. „So ein Gehalt ist zwar möglich, aber man braucht viele Sonntags- und Nachtschichten.“ Besonders für Menschen mit Familie ist das schwer machbar. Viele Fah­re­r:in­nen habe die Werbung daher geärgert, sagt Alexander.

Die Stimmung zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen war schon vor der Werbekampagne angespannt. Ende vergangenen Jahres wurde bekannt, dass Moia sich in zahlreichen Fällen mit Mitarbeitenden vor Gericht streitet. In über 130 arbeitsgerichtliche Prozesse ist Moia in Hamburg seit 2019 involviert gewesen, ein Großteil davon betreffen Kündigungen. Das hatte eine Kleine Anfrage der Linksfraktion in der Bürgerschaft ergeben.

„Es gibt eine sehr hohe Fluktuation“, bestätigt Peter Alexander. Diese betreffe nicht nur die 900 Fah­re­r:in­nen in Hamburg, sondern auch deren Vorgesetzten, die 30 Driver Manager. Nur die wenigsten von ihnen seien von Anfang an dabei.

Der Fahrdienstleister

„Moia“ ist eine 100-prozentige Tochter des VW-Konzerns.

Seit 2019 sind die Sammeltaxis in Hamburg, seit 2017 in Hannover unterwegs.

Buchen kann man sie über eine App, ein Algorithmus rechnet die beste Route aus, um unterwegs Menschen mit einem ähnlichen Ziel einzusammeln. Das Prinzip nennt sich „On-demand-Ridepooling“.

David Stoop, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, wirft dem Konzern vor, aus strategischen Gründen Kündigungen auszusprechen – mit dem Ziel, „Unsicherheit bei den Beschäftigten zu schüren“, sagt Stoop. Moia weist die Vorwürfe als „haltlos“ von sich, man setze „bewusst auf eine langfristige Mitarbeiterbindung“.

Dass die Positionen der Fah­re­r:in­nen wie auch die der Driver Manager ohnehin ein Ablaufdatum haben, daraus macht Moia kein Geheimnis. In Zukunft sollen die schwarz-goldenen Kleinbusse nämlich autonom, also ohne menschliche Fah­re­r:in­nen auf den Straßen unterwegs sein. Bis 2030 will das Unternehmen nach eigenen Angaben an die 10.000 autonom fahrende Shuttles in Hamburg einsetzen. Gemeinsam mit VW, der Hamburger Hochbahn und dem Automobilzulieferer Benteler wird dieses Vorhaben im Forschungsprojekt „Alike“ entwickelt. Schon 2025 sollen die ersten Fahrgäste in Hamburg mitfahren können.

Das Projekt wird mit Geld vom Bund gefördert. Im Oktober 2023 hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bei einem Besuch in Hamburg medienwirksam einen Scheck über rund 26 Millionen Euro übergeben. Die Stadt Hamburg ist Projektpartnerin. David Stoop sieht daher den Senat und den Bund in der Pflicht, sich bei Moia für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen.

Für Betriebsrat Peter Alexander ist es auch der Mutterkonzern VW, den er in der Verantwortung sieht. VW will zur Kritik an den Arbeitsbedingungen bei Moia nichts sagen. Auch auf Nachfrage verweist man an Moia.

Susanne Markgraf hat es in ihrer Zeit bei bei Moia so erlebt, dass die Menschen nur als Nummern auf Papier gesehen wurden. „Mir wurde von Kollegen und Chefs gesagt, dass ich zu nett war“.

In einer älteren Version dieses Textes war von dem Automobilhersteller Holon die Rede, gemeint war jedoch der Automobilizulieferer Benteler. Holon ist lediglich ein Markenname der Firma Benteler.

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2 Kommentare

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  • "Für Betriebsrat Peter Alexander ist es auch der Mutterkonzern VW, den er in der Verantwortung sieht."



    Macht sich die IG-Metall einen schlanken Fuss? Ist die Gewerkschaft nicht in der Lage, Gewerkschaftsmitglieder bei der kleinen Konzerntochter Moia zu gewinnen? Oder versucht sie es gar nicht erst, weil Fahrer bald überflüssig sein sollen?

    VW-Aufsichtsrat Weil (SPD) könnte bei Moja studieren, warum die Kernwählerschaft der SPD möglicherweise AFD wählt. Weil Gewerkschaften bei knapp über Mindestlohn bezahlten Menschen keine Rolle mehr spielen und sie sich von der Politik verraten und verkauft fühlen, wenn sie wie bei Moja von ihrem Arbeitgeber drangsaliert werden, obwohl Moja massiv mit staatlichen Subventionen unterstützt wird.



    Die digitale Zukunft ist für diese Arbeitnehmer ein Hohn, sollen sie doch bald auch ganz eingespart werden.

  • Mit privatisierten Unternehmen und Kapitalismus wird der ÖPNV heruntergewirtschaftet. Sowas kennen wir aus den USA mit dem Straßenbahnskandal von vor vielen Jahren.

    Wird sich wiederholen. Diesesmal ist VW dabei.