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Hamas erbost über Wahlverschiebung

Palästinenserpräsident Abbas sagt die geplanten Parlamentswahlen ab, ohne einen neuen Termin zu nennen. Die Wahlkommission fordert mehr Zeit für die Vorbereitung, doch Kritiker sehen die Angst vor einer Niederlage als Grund

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Die Entscheidung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, die Parlamentswahlen auf unbestimmte Zeit zu verschieben, stößt bei allen Fraktionen mit Ausnahme seiner Fatah auf heftige Ablehnung. „Dies ist eine Verletzung der palästinensischen Übereinkünfte und der nationalen Vereinbarungen“, kommentierte Sami Abu Suchri, ein Sprecher der Hamas, am Wochenende gegenüber der in Ostjerusalem erscheinenden Tageszeitung Al-Quds.

Abu Suchri bezog sich damit auf die vor knapp drei Monaten getroffenen Vereinbarungen über einen Waffenstillstand, zu dem sich die Islamisten im Gegenzug für politische Mitsprache verpflichteten. Die Parlamentswahlen waren für den 17. Juli geplant. Wahrscheinlich ist, dass der Urnengang nicht vor November stattfindet wird.

Abbas, der stets an dem ursprünglichen Wahltermin festgehalten hatte, verkündete unmittelbar nach einem Gespräch mit Fatah-Parteichef Faruk Kadumi in Tunesien die Verschiebung der Wahlen auf unbestimmte Zeit. Offenbar fürchtet Kadumi eine Wahlschlappe.

Bei den jüngsten Kommunalwahlen hatte die Hamas der Fatah in vielen Regionen ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert. Eine für den 1. Juni angesetzte Wahlwiederholung im südlichen Gaza-Streifen, die die Fatah wegen des Vorwurfs des Wahlbetrugs forderte, wurde nach einer Boykottandrohung von Hamas ausgesetzt.

Der Palästinenserpräsident zeigte sich nach dem Treffen mit Kadumi sichtlich erregt und unterzog sich am Wochenende einer Herzoperation in Jordanien. Angesichts seines Gesundheitszustands stellte er die Ernennung eines Nachfolgers in Aussicht, ohne jedoch zunächst Namen zu nennen.

Die parteiunabhängige Zentrale Wahlkommission lieferte Abbas einen offiziellen Grund für die Verschiebung des Termins: Mindestens zwei Monate seien nötig, um nach der Verabschiedung des neuen Wahlgesetzes den nationalen Urnengang vorzubereiten. Das Parlament hatte bereits vor einigen Wochen über mehrere Reformen entschieden, darunter die Erweiterung der Zahl der Abgeordneten von jetzt 88 auf künftig 121. Die notwendige Ratifizierung durch den Präsidenten blieb indes aus.

Abbas missfällt offenbar die Wahlmethode. Sollte zunächst die Hälfte der Kandidaten per Direktwahl und die zweite Hälfte per Listenplatz bestimmt werden, verschob das Parlament die Relationen zu Gunsten einer Direktwahl von zwei Dritteln der Abgeordneten. Damit wächst der Einfluss der palästinensischen Großfamilien. Abbas, dem eine nationale Fatah-Liste vorschwebt, will nun das Thema erneut vor den Revolutionsrat seiner Partei bringen.

Wahltermin und -methode waren von den verschiedenen Fraktionen gemeinsam vereinbart worden. Die Entscheidung über die Wahlverzögerung verstoße gegen den „nationalen Konsens“, so kritisierte Kayed al-Ghoul von der PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas). Auch Mustafa Barghuti, der Anfang des Jahres als zweitstärkster Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen abschnitt, verurteilte die Tatsache, dass über die Wahlverschiebung „nicht in Absprache mit anderen politischen Parteien“ entschieden wurde.

Nach Umfragen des Jerusalemer Medien- und Kommunikationszentrums von Anfang Mai führt Fatah mit 37 Prozent noch deutlich vor Hamas mit 22 Prozent der Stimmen. Der Islamische Dschihad würde 4 Prozent für sich gewinnen können. Mehr als drei Viertel der Befragten kündigten an, bei den Wahlen ihre Stimme abgeben zu wollen.

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