Besuch im Gefängnis bei José Rubén Zamor: Noch immer nicht gebrochen

18 Monate sitzt er schon im Knast: José Rubén Zamora, Guatemalas Ikone des investigativen Journalismus. Nun gibt es neue Hoffnung.

Jose Ruben Zamora von Medienleuten umringt

Jose Ruben Zamora am 14. Juni 23 auf dem Weg zum Gericht in Guatemala City Foto: Esteban Biba/epa

Ein grau lackiertes Metalltor versperrt den Eingang zur Mariscal-Zavala-Militärbasis. Dahinter stehen gelangweilte Soldaten. Sie scannen Ausweise, stempeln fluoreszierende Embleme auf Arme, fragen, ob auch wirklich kein Mobiltelefon in der Tasche steckt – schließlich geben sie die Teerstraße durch den Wald frei. Auf halber Stecke durch die parkähnliche Anlage geht es an einem leichten Schützenpanzer mit Maschinengewehr vorbei. Dann tauchen die Gebäude des Gefängnistraktes auf. Hier ist José Rubén Zamora seit 18 Monaten gefangen.

Zamora, Jahrgang 1956, ist Guatemalas Ikone des investigativen Journalismus: eine unbequeme Spürnase, die sich immer wieder für die Stärkung der fragilen Demokratie und Presselandschaft im bevölkerungsreichsten Land Mittelamerikas engagiert hat. Erfolgreich, und das nicht erst seit der Gründung „seiner“ Zeitung elPeriódico im Jahr 1996. Die hat wie kein anderes Medium in Guatemala den politisch Verantwortlichen auf die Finger geschaut, Veruntreuungen aufgedeckt – nicht nur beim gerade aus dem Amt geschiedenen Präsidenten Alejandro Giammattei.

Jetzt ist das Geschichte. Seit dem 29. Juli 2022 sitzt Zamora in Untersuchungshaft auf der Mariscal-Zavala-Militärbasis. Etwas abgesondert von den anderen Gefangenen, befindet sich seine Zelle in einem separaten Trakt. Drei, vier Zellen, die mit schweren dunkelblau lackierten Stahltüren versehen sind. Bereitwillig öffnet ein Wärter die Tür. Ein hagerer mittelgroßer Mann mit silbrig-weißem, zurückgekämmten Haarschopf, tritt vor: José Rubén Zamora empfängt den unbekannten Besucher, der sich als Freund der Familie ausgegeben hat, wie einen alten Bekannten.

Zweimal pro Woche, mittwochs und samstags, darf der 67-Jährige zwischen 8 und 16 Uhr Besuch empfangen, und jeden dieser Tage genieße er, erzählt Zamora. „Radio, Fernsehen, einen Computer und Internet habe ich hier nicht.“ Mit bitterer Miene deutet er auf die Bücherstapel in seiner rund acht Quadratmeter großen Isolationszelle. Ein Etagenbett, ein Tisch, der Kleiderständer und zwei Stühle machen im Wesentlichen das Interieur der Zelle aus, die Zamora eine Stunde am Tag verlassen darf. Etwas Sonne tanken, ein wenig Gymnastik. Über den Rest des Tages helfen ihm die Bücher hinweg. Dreihundert bis siebenhundert Seiten lautet seine tägliche Dosis – seit 18 Monaten.

Ein Schwerverbrecher?

Auf dem oberen Etagenbett liegen die Unterlagen, die Zamoras Unschuld beweisen sollen. Immer griffbereit, obwohl er sie schon auswendig kennt. Ende Februar steht der nächste Gerichtstermin an. Dann sollen seine Pflichtverteidiger – andere kann er sich nicht mehr leisten – den Vorwurf der Geldwäsche entkräften, der ihm seit seiner Festnahme durch ein Spezialkommando am 29. Juli 2022 vorgehalten wird.

„Durch das Dach sind sie in unser Haus eingedrungen, als ob ich ein Schwerverbrecher wäre“, sagt Zamora und schüttelt ungläubig den Kopf. „Wegen 300.000 Quetzal“. Das ist die Summe, rund 35.000 Euro, um die sich zumindest vordergründig alles dreht im Fall Zamora. Dieses Geld soll der erfolgreiche, kompromisslose und hartnäckige Zeitungsgründer und -macher aus dubiosen Quellen erhalten und gewaschen haben, so die Anklage.

„Doch das Geld stammt aus dem Verkauf eines mir geschenkten Bildes. Ich brauchte die 300.000 Quetzales, um den doppelten Juli-Lohn für 129 Festangestellte vom elPeriódico zu zahlen.“ Zweimal im Jahr haben die Festangestellten Anspruch auf ein doppeltes Monatsgehalt. Einen Teil der Summe, 240.000 Quetzales, hat Zamora damals auf einer Bank eingezahlt. Zum Beleg legt er ein Foto des Bildes und Kontoauszüge aus den Prozessunterlagen auf den weißen Kunststofftisch.

elPeriódico, die investigative Tageszeitung mit dem Schwerpunkt Korruptionsbekämpfung, sollte Zamoras Vermächtnis an die guatemaltekische Gesellschaft sein. 25.000 Print- und 12.000 Digitalabos hatte das Blatt, als Zamora verhaftet wurde. Eigentlich hatte er geplant, erst mit 70 Jahren auszusteigen. Für den symbolischen Preis von einem Quetzal (12 Cent) wollte er die Zeitung an ein Team um die Redaktionsleiterin Julia Corado weitergeben. Dafür waren alle Weichen gestellt: Die Digitalisierung war weit fortgeschritten, und sowohl Zamora als auch seine rechte Hand, Corado, berichten von schwarzen Zahlen.

Curado sitzt im Exil, in Costa Rica. Dort halten sich etliche Jour­na­lis­t:in­nen aus Guatemala auf, weil sie zu Hause nicht mehr arbeiten können, kriminalisiert und bedroht werden. Für Zamora war das Exil – so erklärt er selbst – nie eine Option, obwohl er entführt, unter Drogen gesetzt, bedroht wurde und auch einen Granatenanschlag unverletzt überlebte – um nur einige Angriffe zu nennen. Immer wieder mussten seine Frau und die drei Söhne unter Polizeischutz ausharren, bis sich die Lage beruhigt hatte. Derzeit sind alle vier wieder in den USA, weil sie in Guatemala vor den Ermittlungsbehörden nicht mehr sicher seien, so Zamora. Nur über das Telefon draußen neben seiner Zellentür hat er Kontakt zu ihnen.

Attacke aus dem Apparat

Zamora ist sich sicher, wem er das zu verdanken hat: „Ich sitze hier, weil ich gegen die Korrupten kämpfe“, sagt er mit fester, ruhiger Stimme. Für ihn ist es kein Zufall, dass fünf Tage nachdem elPeriódico die Verträge über den eigennützigen Impfstoffdeal des gerade aus dem Amt geschiedenen Präsidenten Alejandro Giammattei veröffentlicht hatte, das Spezialkommando von mehreren Seiten in Zamoras Haus eindrang.

Dass die Attacke aus dem Apparat kommt, steht laut Medienorganisationen außer Frage. So etwa für „Reporter ohne Grenzen“, die Zamora für seine Haltung trotz juristischer Schikanen im November 2023 auszeichneten. „Von elf An­wäl­t:in­nen sind vier im Gefängnis, zwei im Exil. Vor Gericht durfte ich entlastendes Material erst gar nicht vorlegen – der Richter hat mich nur beleidigt“, erklärt Zamora und fährt sich nachdenklich durch die Haare.

Hinzu kommt, dass Unternehmer unter Druck gesetzt wurden, um keine Anzeigen zu schalten: Das hat letztlich zum Ende von elPeriódico im Mai 2023 geführt. Zwar wurde das Urteil über die sechs Jahre Haft wegen Geldwäsche längst kassiert, aber der Prozess wird Ende Februar neu aufgerollt – eventuell um weitere Anklagepunkte erweitert.

Dass er dann freikommt, daran mag Zamora nicht glauben. Trotzdem blitzen seine Augen kämpferisch. „Ich gehe durch alle Instanzen, bis ich eine offizielle Entschuldigung vom Staat erhalte“, sagt er. Im ersten Haftjahr hat er 37 Pfund Gewicht verloren, wurde von Insekten, aber auch den Wärtern gepiesackt. „Das ist vorbei. Die vier, die jetzt zuständig sind, behandeln mich respektvoll“, erklärt Zamora. Jetzt wiegt er wieder 14 Pfund mehr. Und er setzt große Hoffnungen in die gerade vereidigte Regierung von Bernardo Arévalo. Die hält er für glaubwürdig und reformwillig. Aber er weiß auch, wie schwer es wird, die mächtigen Netzwerke aus Politik, Wirtschaft, Militär und organisierter Kriminalität zurückzudrängen, die de facto die Generalstaatsanwaltschaft instrumentalisiert haben.

Ende der Besuchszeit

Das bestätigt auch Juristin Wendy Lopez: „Rechtsgrundsätze wie die Unschuldsvermutung werden von Generalstaatsanwältin María Consuelo Porras auf den Kopf gestellt – die Angeklagten müssen sich selbst entlasten.“ Lopez vertritt zwei der Anwaltskollegen, die sich inzwischen selbst verantworten müssen, weil sie über Staatsanwälte und Richter im Dienst der Korrupten kritisch berichteten – natürlich in elPeriódico.

Ein paar Sonderausgaben liegen noch in seiner Zelle. Doch an einen potenziellen Neuaufbau des Mediums verschwendet Zamora keine Gedanken. „Online-Portale wie Prensa Comunitaria sind am ehesten in der Lage, die Lücke zu füllen“, meint er und rollt genervt mit den Augen, als der Wärter in die offene Zellentür tritt. Die Besuchszeit ist zu Ende. Vor der Stunde Freigang wird José Rubén Zamora seine Frau im sicheren Miami anrufen. Danach bleiben ihm nur noch die Bücher – wie schon seit 18 Monaten.

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