piwik no script img

Nach dem InflationsschockBio verkauft sich besser

Trotz der generell miesen Stimmung rechnet der Bauernverband für 2024 mit steigenden Öko-Anteilen. Dazu tragen die Bio-Segmente der Discounter bei.

Bio-Äpfel: der Trend geht zum kauf im Supermarkt Foto: Norbert Schmidt/imago

Berlin dpa | Das Geschäft mit Bio-Lebensmitteln hat in der Zeit der hohen Inflation gelitten – nach Branchenangaben geht es aber wohl schon wieder aufwärts. Der „Öko-Umsatz konsolidiert sich 2023“, heißt es in einem Marktbericht des Deutschen Bauernverbands, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Bis Oktober ist der Umsatz bei frischen Produkten nach Daten des Marktforschungsunternehmens GfK um 2,8 Prozent gewachsen. Auch das Sortiment verpackter Ware dürfte im positiven Bereich gelegen haben. „Der deutsche Öko-Lebensmittelumsatz würde damit 2023 in Richtung 16 Milliarden Euro wachsen.“ Dabei spielen die großen Handelsketten und der Preis eine wichtigere Rolle.

Das zeitweise schwächelnde Öko-Geschäft könnte so ziemlich schnell wieder Tritt fassen. „Für 2024 kann mit wachsenden Umsätzen gerechnet werden“, heißt es in dem Marktbericht zum Jahreswechsel. Denn alle großen Ketten des Lebensmitteleinzelhandels profilierten sich mit Öko-Sortimenten. Im Jahr 2022 hatte der erfolgsgewohnte Bio-Markt in Deutschland ein Minus verbucht. Der Umsatz sank laut Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft um 3,5 Prozent auf 15,3 Milliarden Euro.

Auf eine schnellere Ausdehnung der Bio-Landwirtschaft setzt auch die Politik – und dafür kommt es auf eine weiter wachsende Nachfrage an. Erklärtes Ziel der Koalition ist es, den Bio-Anteil schon bis 2030 auf 30 Prozent der gesamten Agrarfläche auszuweiten. Zuletzt war er weiter gestiegen – aber nur leicht auf 11,2 Prozent mit Stand Ende 2022. Bio arbeiten nun 14,2 Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe.

Corona-Boom währte nur kurz

Im Blick steht dabei auch, wie robust sich Bio als Geschäftsmodell erweist. Im ersten Jahr der Corona-Pandemie 2020, in dem viele zu Hause kochten, war der Umsatz um 22 Prozent auf 15 Milliarden Euro hochgeschnellt und wuchs 2021 noch weiter auf 15,9 Milliarden Euro. Im Jahr 2022 kam dann ein ungewohnter Rückschlag. Trotz der Rückkehr vieler Menschen in Restaurants und Kantinen, in denen es meist kein Bio-Angebot gibt, habe Bio den Umsatz aber noch „weitgehend“ halten können, erläuterte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft.

Von einer Kaufzurückhaltung bei teureren Lebensmitteln in der hohen Inflation waren aber auch Bio-Produkte berührt, die meist etwas mehr kosten – mit einem starken Trend hin zum Kauf im Supermarkt, während Fachgeschäfte das Nachsehen hatten. „Öko-Umsatzgewinner“ seien wieder die Discounter gewesen, heißt es im Bericht des Bauernverbands. Der Bundesverband Naturkost Naturwaren berichtete kürzlich aber, dass die anfangs gesunkene Nachfrage im zweiten Halbjahr 2023 gestiegen sei. Seit Juni gebe es durchweg höhere Umsatzzahlen als im Vorjahresmonat.

Mehr Bio in Kantinen?

Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) hat eine Strategie seines Ressorts vorgelegt, die den Bio-Absatz ankurbeln soll. Im Blick steht etwa verstärkte Bio-Forschung, um Erträge des ökologischen Landbaus zu steigern. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen auch genauer über Bio-Vorteile für den Umwelt- und Tierschutz informiert werden.

Ein Hebel sollen mehr Bio-Speisen in Kantinen, Mensen und Restaurants sein. Damit man auf einen Blick sehen kann, wie „bio“ eine Küche ist, können Anbieter freiwillig ein rundes Logo in den Medaillenfarben nutzen und so auch für sich werben. Es zeigt den Bio-Anteil gemessen am Geldwert des gesamten Wareneinkaufs. Für Gold müssen es 90 bis 100 Prozent bio sein, für Silber 50 bis 89 Prozent und für Bronze 20 bis 49 Prozent. Die Logos können laut Ministerium angebracht werden, wenn Betriebe zertifiziert sind – die eigene Kantine in Bonn und die des Arbeitsministeriums in Berlin hätten auch schon ein Logo in Bronze.

Für mehr Bio kommt es außerdem darauf an, dass mehr Höfe mitmachen. Dabei betonte Özdemir schon bei der Vorlage seiner Strategie Mitte November: „Niemand muss auf Bio umsteigen.“ Es sei eine Option. Die Stimmung in der gesamten Branche ist aber auf einem Tiefpunkt, seit Pläne der Regierungskoalition bekannt wurden, gleich zwei Vergünstigungen zu streichen, um zu sparen: die Regelungen zu Agrardiesel und die Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge. Özdemir ging dazu zuletzt auf Distanz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • M.E. geht der Protest der Bauern jetzt eigentlich gegen die Grüne Koalition, anstatt gegen den eigentlichen Verursacher, den Lebensmittelhandel, mit seinen monopolhaften Strukturen und Krisenübergewinnen, die gerade die konventionellen Landwirte mit ihrer billigen Massenproduktion massiv unter Druck setzen, zu protestieren.

    M.E. steht daher eine andere Motivation dahinter, nämlich die grüne Koalition abzuschaffen, um einen Rechtsruck zu befördern und ihre umweltfeindlichen Produktionsmethoden weiter ungehindert zu betreiben und durchzusetzen, ökologischen Wandel zu behindern, die steigende Nachfrage nach Bioprodukten zu unterminieren, denn ansonsten müsste eigentlich der Lebensmittelhandel Adressat diser Kritik sein!

  • Nach meinen Erfahrungen waren die Preise der Discounter im Zuge der Energiekrise unverhältnismäßig hochgeschnellt, auch bei energiearmen Produktionsmethoden.

    Meine Erfahrung ist die, dass offenbar große Mitnahmeeffekte gerade bei großen Discountern und auch beim Lebensmittelhandel vorhanden sein müssen, da ich festgestellt habe, dass die Preise in den Bioläden z.B. für Milch sich sogut wie nicht erhöht haben, und dass gerade Milch im Bioladen sogar günstiger war/ist, als im Discounter!

    Insgesamt hat sich nach meiner Beobachtung der Preisunterschied zwischen Bioprodukten und Discounter-Produkten während der Energiekrise (weil die konventionellen Produkte wesentlich teurer geworden sind) stark verringert, sodass man für fast den gleichen Preis doch lieber das Bioprodukt kauft, da dort zudem die Qualitätssicherung besser überwacht ist.

    Also m.E. bestehen immense Mitnahmeeffekte und Übergewinne im konventionellen Lebensmittelhandel, der zudem auf billige Massenproduktion setzt, und die konventionellen Landwirte auf Grund ihrer Quasi-Monopolstellung stark unter Druck setzen kann, diese niedrigen Preise aber offenbar nicht an die Kunden weiter gibt, sondern selber einstreicht. Dadurch werden die Konsumenten geradezu in die Arme der der Biomärkte getrieben, die Zahlen belegen dies (und auch die Anzahl der Mogelpackungen bei den Discountern, Schrupflation).

    Ich verstehe bei diesen Bauernprotesten nicht, warum der konventionelle Lebensmittelhandel bei der Kritik der Bauern nicht viel stärker in den Fokus genommen wird, und sogar seltsamer weise verschont bleibt.



    Ich vermute dass die Bauernlobby, die ihre konventionelle schädlichen Betriebsmethoden immer schön v.a. gegen die Biobauern durchgesetzt haben, nun eigentlich genau diesen Wandel hin zu mehr ökologischen Produkten und deren Nachfrage bekämpfen, da sie die Folgen ihrer eigens verursachten Schäden nicht bereit sind zu tragen und sich umzustellen auf mehr ökologischen Schutz.