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kritisch gesehen: martin lätzels erzählung „bruno topff. der präsident von alsen“Ein Schneider als Präsident

Dänisch: Als. Oder: Alsen, wie sie auf Deutsch heißt, die Insel am Ende der Flensburger Förde, im Kleinen Belt gelegen, die öfter zwischen dem Königreich Dänemark und den deutschen Fürstentümern wechselt: 1864 etwa fällt sie an Preußen, gehört daher ab 1871 zum Deutschen Reich. Richtig in Schwung, wirtschaftlich gesehen, kommt ­Alsens zentrale Stadt Sonderburg (später wieder Sønderborg), als hier 1907 eine Marinestation installiert wird, mit Kaserne und einer Schiffsartillerieschule; baulich verwandt der Marineschule im Flensburger Stadtteil Mürwik.

Hierhin schwappt der Aufruhr der Matrosen, der sich Anfang November 1918 erst im ferneren Wilhelmshaven, dann im nicht so fernen Kiel auf den Weg macht. Nun rumort es auch unter den Sonderburger Matrosen: Ist etwa der Krieg zu Ende? Kann man nach Hause gehen? Oder ist es nicht die Gelegenheit, die Kaisertreuen zu verjagen und eine ganz andere Republik zu gründen? Unter ihnen ist Bruno Topff, der passenderweise am 2. November Geburtstag hatte; 32 Jahre ist er alt geworden und damit einer der Älteren. Geschult an Karl Marx, ein Spartakist. Und Schneidermeister, der die Waffenröcke der Soldaten flickt. Nur: Er hat Tuberkulose, liegt danieder, als um ihn herum das eupho­rische Chaos ausbricht. Und Bruno Topff erhebt sich, er reißt sich zusammen und wird Präsident von Alsen – für ganze drei Tage, in denen er schwer hustend und vom Fieber geschüttelt die Amtsgeschäfte des nun agierenden Sonderburger Soldatenrates abzuwickeln versucht.

Ob sich alles so ereignet hat wie beschrieben, ob etwa Topff tatsächlich aus dem Fenster des Lazaretts gesprungen ist, um bald vor den versammelten Matrosen auf einem Tisch stehend eine flammende Rede zu halten – Autor Martin Lätzel, Direktor der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek, befragt immer wieder neu, was historisch belegt ist, was Stoff ist, den man sich auf der Insel bis heute erzählt oder was so gewesen sein könnte. In diesem Sinne liegt weder eine stramme Helden- noch eine belehrende Anti-Helden-Geschichte vor uns. Sondern das berührende Porträt eines Mannes, der sich mehr zumutet, als er einlösen kann. Und das wird mit feinem Humor grundiert, der sich besonders gegen jedes revolutionäre Pathos wehrt, dass sich meist entzündet, wenn die historischen Tatsachen zu verschwimmen beginnen und so Raum schafft fürs Ausschmücken bis Phantasieren.

Lätzel gelingt ein berührendes Porträt eines Mannes, der sich mehr zumutet, als er einlösen kann

Eines dagegen steht unbedingt fest: Beerdigen wird man Bruno Topff auf dem Neuen Zwölf-Apostel-Kirchhof in Berlin-Schöneberg. Wie es dazu kommt und was mit ihm bis dahin passiert, auch das wird sehr lesenswert erzählt. Frank Keil

Martin Lätzel: „Bruno Topff. Der Präsident von Alsen“, KJM Verlag, 72 Seiten, 16 Euro

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