Immigrationsgesetz in Frankreich: Schlappe für Macrons Regierung

Die Nationalversammlung in Paris hat den Entwurf für ein Einwanderungsgesetz zurückgewiesen. Ein Antrag der Grünen wurde knapp angenommen.

Innenminister Darmanin tritt vor der Presse

Französischer Innenminister vor der Presse, ein Tag nachdem das Immigrationsgesetz abgelehnt wurde Foto: Stephanie Lecocq/reuters

PARIS taz | Die Abgeordneten der französischen Nationalversammlung weigern sich, über die Vorlage der Regierung für neue Immigrations- und Asylgesetze zu debattieren. Mit einer knappen Mehrheit von 270 gegen 265 Stimmen ist am Montagabend ein entsprechender Rückweisungsantrag der Fraktion der Grünen mit den Stimmen aus allen Oppositionsparteien von links und rechts angenommen worden.

Die aus sehr unterschiedlichen Gründen umstrittene Vorlage gilt damit als abgelehnt. Zuvor war der Regierungsentwurf im mehrheitlich konservativen Senat weitgehend modifiziert und verschärft worden. Dass nun die Abgeordneten es schlicht ablehnen, überhaupt darüber zu diskutieren, bedeutet für die Staatsführung eine schwere politische Niederlage und für Innenminister Gérald Darmanin eine Demütigung.

Er hatte bis zuletzt gehofft, dass sein Text dank einiger Konzessionen von den Konservativen der Partei Les Républicains (LR) unterstützt würde. Doch die LR-Abgeordneten, wie auch jene des rechtsextremen Rassemblement national (RN), kritisierten, die von Darmanin gewünschte Legalisierung von Sans-Papiers in bestimmten Wirtschaftszweigen mit Personalmangel würde einer neuen Einwanderung Tür und Tor öffnen. Die linken Abgeordneten stören sich im Gegenteil an den verschärften Kontrollen. Und beiden Seiten war gar kein Text lieber als die Vorgabe der Regierung.

Dass sich so eine „unheilige Allianz“ von ideologisch diametral gegensätzlicher Gruppen gegen die Regierung gebildet hat, ist äußerst ungewöhnlich in Frankreichs Parlamentsgeschichte und stellt ein großes Problem für Staatspräsident Emmanuel Macron dar. Die Reform der Immigrationspolitik war eine seiner Prioritäten der zweiten Amtszeit.

Da es sich beim Votum jedoch nicht um eine formelle Misstrauensabstimmung handelte, ist die Regierung nicht gezwungen zurückzutreten

Und Innenminister Darmanin gedachte, sich mit einer Reform der Immigrationspolitik so als möglicher Kandidat für die Nachfolge von Macron zu profilieren. Stattdessen hat er nun noch am Abend bei einer Unterredung im Elysée-Palast dem Präsidenten seinen Rücktritt angeboten, was dieser jedoch abgelehnt hat. Später traf sich das Ministerkabinett zu einer Krisensitzung.

Kabinett ohne Mehrheit in der Nationalversammlung

Der überraschende Erfolg der für dieses Mal vereinten Opposition verdeutlicht, dass das Kabinett von Premierministerin Elisabeth Borne in der Nationalversammlung über keine Mehrheit verfügt. Das ist zwar schon seit den letzten Wahlen von 2022 der Fall, konnte aber bisher bei zahlreichen Abstimmungen noch kaschiert werden, weil ein Teil der Opposition sich jeweils entweder enthalten oder für Regierungsanträge votiert hatte, in anderen Fällen musste die Regierung zum Verfassungsartikel 49.3 greifen, der es ihr (in ziemlich undemokratischer Weise) erlaubt, eine Vorlage ohne Votum für angenommen zu erklären.

Diese Abkürzung des 49.3 kam für Darmanin in dem Fall ausdrücklich nicht infrage. Gegen den unerwarteten Zangenangriff von links und rechts war er machtlos. Die Folge: In ersten Kommentaren am Fernsehen war von einer schweren politischen Krise die Rede. Da es sich beim Votum jedoch nicht um eine formelle Misstrauensabstimmung handelte, ist die Regierung nicht gezwungen zurückzutreten.

Regierung such nach einem Ausweg aus der Sackgasse

Die französische Staatsführung versucht, nach ihrer Niederlage in der Nationalversammlung für ihre Vorlage einer neuen Immigrationsgesetzgebung einen Weg aus der Sackgasse zu finden. Die gemischte Paritätische Kommission (7 Senatoren, 7 Abgeordnete) soll darum einen „gemeinsamen“ Text ausarbeiten, der dann dem Senat und der Nationalversammlung zur Abstimmung unterbreitet werden könnte.

Ganz so einfach ist dies aber nicht: Diese Kommission ist politisch mehrheitlich konservativ. Das Ergebnis der Diskussion könnte darum eine verschärfte Version sein, die anschließend auch von einem Teil der Macronisten und von der gesamten Linken in der Nationalversammlung nicht akzeptiert wird. Und am Ende könnte sich dann bloß erneut eine Situation ergeben, die belegt, dass Macron für seine Politik und deren Umsetzung keine Mehrheit hat. Als Staatschef könnte Macron allerdings die Nationalversammlung auflösen und Neuwahlen ausschreiben.

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