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Kommunalpolitikerin aus BergedorfAuf der Suche nach Gerechtigkeit

Die Juristin Lenka Alzbeta Brodbeck hat Diskriminierung erlebt und glaubt trotzdem daran, dass die Gesellschaft sich zum Guten entwickeln kann.

Lenka Alzbeta Brodbeck will Menschen aus gewohnten Denkmustern rausbringen Foto: Henning Angerer

HAMBURG taz | Die Suche nach Gerechtigkeit prägt sowohl das Arbeitsleben als auch das politische und ehrenamtliche Engagement von Lenka Alzbeta Brodbeck. Geboren in Prag und aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie, ist die Juristin seit einigen Jahren Bezirkspolitikerin in Hamburg. Im Frühjahr 2024 wird sie den Helene-Weber-Preis verliehen bekommen, der „herausragendes Engagement von Kommunalpolitikerinnen“ auszeichnet.

Politisiert hat sie ihre Kindheit und Jugend im Prag der Achtziger und Neunziger. Brodbeck ist 1982 geboren und hat die Wende als Kind miterlebt. Sie sei durch die Straßen gelaufen, wo die Menschen demonstrierten und habe sich gefragt, was da los ist, erzählt sie. „Wahrheit und Liebe müssen über Lügen und Hass siegen“, das Motto des tschechischen Regimekritikers und späteren Staatspräsidenten Václav Havel habe sie sehr angesprochen.

Das Thema Gerechtigkeit habe sie begleitet und weil sie in der Schule gute Noten hatte und ihre Oma ihr immer gesagt hatte „wenn du lernen kannst, lerne“, begann sie Jura zu studieren. Zur Politik und zum Eintritt bei den tschechische Grünen war es danach nicht mehr weit. Sie habe sich vegan ernährt und sich große Gedanken um Umweltschutz und Umweltrecht gemacht, sagt Brodbeck. „Es war für mich ein natürlicher Schritt, mich an der Seite der Grünen für Gesetzesänderungen einzusetzen.“

Kampf gegen Korruption

Mit Mitte 20 wurde Brodbeck 2006 ins Bezirks­parlament des Prager Stadtteils „Prag 1“gewählt, wo sie in der Opposition zu Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung arbeitete. In ihrem Beruf als Umweltjuristin führte sie für die Behörde, in der sie arbeitete, Verfahren gegen Umweltverschmutzer*innen. Mit 26 Jahren zog sie der Liebe wegen nach Hamburg. Da ausländische Ju­ris­t*in­nen in Deutschland grundsätzlich keinen Zugang zu juristischen Berufen im Justizsystem und der Verwaltung haben, musste sie sich eine Nische suchen.

Sie holte ihr tschechisches Anwaltsexamen nach, um nun als Anwältin mit einer Zulassung aus einem anderen EU-Land in Hamburg arbeiten zu können. In einer deutsch-tschechischen Anwaltskanzlei beschäftigte sie sich mit dem grenzüberschreitenden deutsch-tschechischen Rechtsverkehr. „Ich fand es schwierig mit den deutschen anwaltlichen Kollegen zu arbeiten“, sagt sie. Diese seien „allzu oft nicht mit meiner Zuwanderungsgeschichte klargekommen.“ Als „überfordert“ habe sie die Kollegen wahrgenommen. Das sei am Ende zwar auch Diskriminierung, aber Brodbeck hält es auch „für eine gewisse Steifheit“.

Engagement für Umwelt und Migration

Nachdem sie in Deutschland angekommen war, hatte sie geglaubt, dass ihr Engagement hier nicht mehr notwendig sei: „Ich dachte, hier ist schon so viel geschafft worden, dass es mein Engagement nicht braucht.“ Ihre Erfahrungen als zugewanderte Frau änderten das.

Sie trat wieder bei den Grünen ein. Nun beschäftigen sie, als Fraktionsvorsitzende für die Grünen in der Bezirksfraktion Bergedorf, neben Umweltthemen auch Migration und die Teilhabe von Frauen am Arbeitsmarkt. „Wir – und ich sage bewusst wir – haben hier einen anderen Anspruch, wir wollen doch ein Teil von Europa sein. Dann sollten wir auch dafür sorgen, dass wir uns wohlfühlen“, sagt Brodbeck.

Sie sei sich sicher, dass gesellschaftliche Veränderung möglich ist. „Ich sehe, was es Positives bringen kann, wenn Menschen aus dem Gewohnten rausgehen“, sagt sie. Sie sei „überzeugt, dass es funktioniert“.

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