Marsch gegen Antisemitismus in London: Vereint gegen den Hass

Zehntausende haben in London gegen Antisemitismus demonstriert. Geplant ist auch ein gemeinsames Gedenken mit Palästinensern.

Eine Demonstrantin hält eine israelische Flagge in der Hand, während des Marsches gegen Antisemitismus

Marsch gegen Antisemitismus in London, Sonntag, 26. November 2023 Foto: Susannah Ireland/reuters

LONDON taz | Als Londons größten Protest gegen Antisemitismus seit 1936 beschrieb es Gideon Falter, Geschäftsführer der Campaign Against Antisemitism (CAA). Sie hat den „Marsch gegen den Antisemitismus“ am Sonntagnachmittag initiiert, zu dem nach CAA-Angaben 105.000 Menschen auf der Strecke vom Justizpalast bis zum Parlament kamen, nach unabhängigen Angaben mindestens 60.000.

Nicht nur jüdische Menschen nahmen teil. Falter nannte einige direkt: Das Hindu Forum Großbritanniens, die iranische sowie die kurdische Gemeinschaft, christliche Gruppen. Der britische Oberrabbiner Sir Ephraim Mirvis war anwesend sowie Ver­te­te­r:in­nen der regierenden Konservativen und der Labour-Opposition.

Von den Li­be­ral­de­mo­kra­t:in­nen zeigten sich nur ehemalige Abgeordnete und zwei Mitglieder des Oberhauses, von den Grünen niemand mit Bekanntheitsgrad. Dafür mischte sich der ehemalige Premier Boris Johnson mit Frau und Kind unter die Menge, ebenso der langjährige LGBTQIA+-Aktivist Peter Tatchell.

Der Marsch folgte auf eine propalästinensische Demonstration für einen dauerhaften Waffenstillstand am Vortag, auf der trotz polizeilicher Warnungen wieder antisemitische Hetze zu hören und Antisemitisches zu sehen war; 18 Personen wurden festgenommen. Beim Marsch gegen Antisemitismus war der einzige Zwischenfall der Versuch von Rechtsextremistenführer Tommy Robinson, sich dem Marsch anzuschließen, er wurde stattdessen von der Polizei abgeführt.

Friedenslieder und Nationalhymnen

Statt böser Parolen wurden hebräische Friedenslieder gesungen, auch die israelische und britische Nationalhymne. Viele Menschen hatten israelische oder britische Fahnen mitgebracht, auch einige iranische Fahnen aus der Zeit vor der 1979er-Revolution. Auf Plakaten sah man Bilder israelischer Geiseln und die Botschaft: „Nie wieder ist jetzt!“

Falter sagte in seiner Rede vor dem Parlamentsgebäude, dass Antisemitismus in Großbritannien um über 1.000 Prozent gestiegen sei. Laut neuesten Befragungen seiner Organisation würden 69 Prozent britischer Jüdinnen und Juden erwägen, ihre Identität in der Öffentlichkeit zu verbergen. Das Zusammenkommen hier auf dem Marsch verstehe er als einen Hoffnungsschimmer und ein Zeichen des wahren Großbritanniens mit Toleranz und Anstand.

Für die britische Regierung sprachen Einwanderungsminister Robert Jenrick, Sicherheitsminister Tom Tugendhat und Erziehungsminister Robert Halfon. Labours Schattensekretär Peter Kyle betonte seinen Stolz auf Keir Starmers Kampf gegen den Antisemitismus nach der beschämendsten Periode in der Geschichte Labours, also der Zeit von Jeremy Corbyns Führung. Seit dem 7. Oktober wäre ein Tsunami des Antisemitismus eingebrochen; im Kampf gegen Rassismus würden Jüdinnen und Juden oft vergessen, ignoriert oder ausgegrenzt.

Oberrabbiner Mirvis unterstrich, es gehe um den Kampf gegen Hass, gegen Aufrufe für Dschihad und Intifada oder zur Zerstörung Israels mit Rufen wie „From the River to the Sea.“ Den derzeitigen Krieg gegen Hamas habe niemand in Israel gewollt.

Der bekannte Filmschauspieler Eddie Marsan erzählte, dass er im Londoner East End Londons neben jüdischen, pakistanischen und indischen und karibischen Ein­wan­de­r:in­nen aufgewachsen sei. Er verstehe es als seine Aufgabe, beide Seiten zu hören und zu sehen, nicht nur eine.

Statt Plakate der israelischen Geiseln herunterzureißen, wie es propalästinensische Aktivisten getan haben, hätte man einfach Poster palästinensischer Opfer dazuhängen können, meinte Marsan.

Die Veranstaltung endete mit der israelischen Sängerin Rita und fröhlichen Straßentänzen zu jüdischen Liedern wie Salam (Od Javo Schalom Aleinu). Am kommenden Sonntag wollen einige in London noch eins drauflegen. Da wollen sich unter dem Namen „Together for Humanity“ Israelis und Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen zusammen, jüdische, muslimische und christliche Menschen zu einer gemeinsamen Nachtwache für den Frieden vereinen. Initiiert hat das der Witwer der 2016 von einem Rechtsextremisten ermordeten Labour-Abgeordneten Jo Cox.

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