Europäische Führerscheinregeln: EU-Kollegen überstimmen Wissing
Der EU-Verkehrsministerrat hat sich auf einen Kompromiss für neue Führerscheinregeln geeinigt. Minister Wissing war dagegen – aber ohne Mehrheit.
Berlin taz | Im Streit über neue europäische Führerscheinregeln haben die EU-Verkehrsminister:innen am Montag einen Kompromiss vorgeschlagen. Wer in einem EU-Staat den Führerschein verlängern lassen will, soll künftig Fahrtauglichkeit nachweisen: Autofahrer:innen müssen sich ärztlich bestätigen lassen, dass sie gesund genug zum Fahren sind – oder Selbstauskunft über ihre Gesundheit erteilen. Die Mitgliedstaaten sollen jedoch selbst entscheiden dürfen, ob sie dies tatsächlich einfordern wollen.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte bereits am Montagmorgen gesagt, dass er wenig von Selbstauskünften halte. Diese machten den Verkehr nicht sicherer, sondern brächten „überflüssige Bürokratie“ mit sich. Deutschland stimmte dem Kompromiss daher nicht zu, die anderen EU-Staaten aber votierten mehrheitlich dafür.
Damit haben sich die Verkehrsminister:innen zu Vorschlägen der EU-Kommission für eine neue Führerscheinrichtlinie positioniert. Diese hatte im März angeregt, dass Menschen über 70 Jahren alle fünf Jahre einen ärztlichen Nachweis erbringen oder eine Selbstauskunft einreichen müssen. Laut den Minister:innen der Mitgliedstaaten sollen alle Autofahrer:innen in der Europäischen Union ihre Fahrerlaubnis nun alle 15 Jahre neu beantragen und ihre Fahrtüchtigkeit belegen – kürzere Abstände für ältere Menschen sind Stand jetzt keine Pflicht, aber möglich.
Wenn ältere Autofahrer:innen in Verkehrsunfälle mit Personenschaden verwickelt sind, sind sie häufiger hauptverantwortlich, zeigten neue Zahlen des Statistischen Bundesamts ebenfalls am Montag. So wurde Unfallbeteiligten, die mindestens 75 Jahre alt waren, 2022 in gut drei Vierteln der Fälle die Hauptschuld zugewiesen. Bei den unter 65-Jährigen waren es rund 55 Prozent. Gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung sind ältere Menschen jedoch seltener in Verkehrsunfälle verstrickt als jüngere.
EU-weite Probezeit und begleitetes Fahren
„Wir sind froh, dass wir bei der EU-Führerscheinrichtlinie jetzt diskutieren, wie der Straßenverkehr sicherer wird und dass Fahrtüchtigkeit dabei eine große Rolle spielt“, kommentierte Anna Deparnay-Grunenberg, für die Grünen im EU-Verkehrsausschuss.
Der Rat der Verkehrsminister:innen einigte sich zudem auf eine Probezeit für Fahranfänger:innen und begleitetes Fahren ab 17 Jahren als EU-weiten Standard. Parlament, Kommission und die Ressortchef:innen der Mitgliedstaaten verhandeln nun im Trilog, ein Gesetz könnte im Mai 2024 verabschiedet werden.
Leser*innenkommentare
Krumbeere
Hier wird regelmässig auf unseren Verkehrsminister hergezogen.... Dabei hat er doch diesmal recht, oder?
"Selbstauskunft"....ich möchte den erleben der in einer Selbstauskunft schreibt "Ich komme mit dem vielen Verkehr nicht mehr klar...."
Encantado
"Wer in einem EU-Staat den Führerschein verlängern lassen will, soll künftig Fahrtauglichkeit nachweisen"
Ich hatte mal einen 'unbefristet gültigen' Führer schein. Wie sich die Dinge ändern...
Sonorkius
Juhu, noch mehr Bürokratie! Haben wir ja noch nicht genug in Deutschland...
Konstantin Wosner
In den anderen Staaten wird die Verordnung wahrscheinlich belächelt und abgeheftet, bei uns wird man sie bis aufs letzte Komma durchexerieren.
Siggi-20
Ich befürchte, dass das ganze nur in Deutschland zu einem bürokratischen Monster wird. Von einer sogenannten „Selbstauskunft“ lässt sich die deutsche Bürokratie nicht überzeugen.