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NRW BEKOMMT STUDIENGEBÜHREN – UND NIEMAND WEHRT SICH MEHRRuhe zwischen Aachen und Höxter

Heute ist es nur noch eine Randnotiz. Vor wenigen Jahren hätte die Nachricht noch ein politisches Erdbeben ausgelöst: In Nordrhein-Westfalen wird es Studiengebühren geben. 500 Euro je Semester müssen die rund 500.000 Studierenden zwischen Aachen und Höxter abdrücken. Damit fällt das Bollwerk gegen das Bezahlstudium. Jahrzehntelang waren die Hochschulministerinnen in Düsseldorf die Garanten des alten akademischen Sozialvertrages, der jedem Abiturienten ein Gratisstudium ermöglicht. Das ist vorbei.

Der grundlegende Wandel wird, das ist abzusehen, die Zahl der Studierenden gewaltig senken. Schon die Ankündigung wird in den Arbeiterhochburgen des vormaligen industriellen Herzens der Republik zehntausende vom Gang an die Unis abschrecken. Schuld daran sind zwei Gruppen: die aktuell Studierenden und die bald Regierenden.

Die Studierenden, weil sie es versäumt haben, die Debatte auch nur zu beeinflussen. Im Landtagswahlkampf war von Widerstand praktisch nichts mehr zu spüren. Dabei war klar, dass Union und FDP die Studiengebühren einführen würden. Wo waren die StudentInnen? Erschöpft. Weil sie sich vor zwei Jahren gegen die SPD verkämpft hatten. Die führte damals Langzeitgebühren ein – und die Asta-Funktionäre hatten nichts Dümmeres zu tun, als diese Soft-Gebühren ab Semester 14 mit den ordinären ab Semester 1 gleichzusetzen. Ein Fehler, weil er die eigenen Kräfte falsch einschätzte und alle Maßstäbe verrückte.

Ähnlich schlicht geht nun die CDU mit der Lage um. Blauäugig erklärt Jürgen Rüttgers: Die Gebühren sollten „so weit nötig“ erst nach dem Studium anfallen und sowohl die Verschuldung des Landes als auch die finanzielle Not der Unis lindern – die Quadratur des Kreises. Er hantiert mit sehr komplizierten Gebührenvarianten, über die sich etwa Baden-Württemberg seit längerem den Kopf zerbricht – ohne Lösung. Das Tragische ist, dass kein Akteur in Sicht ist, der Rüttgers ein halbwegs sinnvolles Modell abtrotzen könnte. Denn die Studierenden haben sich ja leider bereits verabschiedet.

CHRISTIAN FÜLLER

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