: Ex-Kunsthaus-Chefin Katja Schroeder geht in die Periphierie
Sie hat zwar Kunst studiert, aber Künstlerin werden wollte sie nie: „Es hat mich von Anfang an mehr interessiert, was die anderen machen“, sagt Katja Schroeder. „Schon während des Studiums an der Kölner Kunsthochschule für Medien habe ich einen Projektraum für Ausstellungen betrieben.“
Genau das hat Schroeder, die im Januar 2024 ins Leitungsteam der schleswig-holsteinischen Arthur-Boskamp-Stiftung einsteigt, auch weiterhin getan: Sie war Kuratorin des Frankfurter Kunstvereins, Direktorin des Westfälischen Kunstvereins in Münster und zuletzt, von 2014 bis 2023, Leiterin des Hamburger Kunsthauses. Diesen von der Stadt chronisch unterfinanzierten Ort hatte sie nach dem Abgang des langjährigen Chefs Claus Mewes mit dem Auftrag übernommen, das Haus neu zu profilieren.
Um die vorrangige Präsentation Hamburger Kunst ging es dort angesichts der „Konkurrenz“ auf Hamburgs Kunstmeile mit dem Kunstverein und der „Galerie der Gegenwart“ längst nicht mehr. Und so hat Katja Schroeder das Kunsthaus internationalisiert und zu einer Stätte des Diskurses über Dekolonialisierung, neue Medien und künstlerische Aneignung gemacht. Den mit Sandspuren arbeitenden südafrikanischen Anti-Apartheids-Aktivisten Garth Erasmus hat sie ausgestellt, auch die totalitarismuskritischen Videos der Pakistanerin Bani Abidi.
Gescheiterte Klage von Birkenstock-Chef
Unvergessen auch der Skandal um das ungefragt einem Plakat entnommene und verfremdete Kinderfoto in einer Schau Ida Ekblads von 2017. Der Kindsvater, Birkenstock-Geschäftsführer Oliver Reichert, verklagte Künstlerin und Kunsthaus, ließ die Schau zwei Tage schließen und die Fotos entfernen. Kunsthaus-Chefin Schroeder hatte ihn vergebens zum Gespräch eingeladen. Da die Birkenstock-Tochter schon länger für Werbekampagnen modelte, scheiterte die Klage.
Die letzte von Schroeder mit kuratierte Kunsthaus-Schau in diesem Sommer zeigte Sami-KünstlerInnen, die sich mit nordeuropäischem Kolonialismus und dem Schicksal ihrer eigenen Ethnie befassten. Sami zählten 1875 zu den ersten Gruppen, die bei Hagenbecks „Völkerschauen“ präsentiert wurden.
Selbst kuratieren wird Katja Schroeder als Co-Chefin der vor 20 Jahren gegründeten Boskamp-Stiftung in Hohenlockstedt nicht mehr. Sie soll organisieren, das Bestehende ausbauen in den Baracken des einstigen Militär-Ausbildungslagers. Dessen größte Halle dient heute als Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst, den wechselnde KuratorInnen als StipendiatInnen bespielen. Katja Schroeder war 2010 eine von ihnen.
Zudem soll es in Hohenlockstedt künftig ein Residency-Programm geben. Hierfür hat die Stiftung das denkmalgeschützte einstige Soldatenheim des Architekten Fritz Höger erworben. Sobald es renoviert und mit Wohn- und Arbeitsräumen ausgestattet ist, sollen hier KünstlerInnen einziehen, die Katja Schroeder mit betreuen wird.
„Ich finde es ganz angenehm, nicht mehr im Turbo-Rhythmus eine Ausstellung nach der anderen stemmen zu müssen, sondern langfristig Strukturen zu gestalten“, sagt Schröder, die die Stiftung mittelfristig allein leiten wird, wenn sich die Boskamp-Tochter Ursula altersbedingt zurückzieht. Dass die Stiftung mit lokalen Kulturangeboten wie einem Filmclub, Jugend-Workshops und einer„Queer Bar“ an den 6.000-Seelen-Ort angedockt bleibt, ist für sie selbstverständlich. Wie lange sie bleiben wird? „Es ist meine erste unbefristete Anstellung“, erzählt sie fröhlich. Das ist im Kunstbetrieb etwas ganz Besonderes. Petra Schellen
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