: Der letzte Sargnagel
Das französische Linksbündnis Nupes zerfällt endgültig an der Frage, ob die Hamas eine Terrorgruppe ist oder nicht
Aus Paris Rudolf Balmer
Ist die Hamas eine terroristische Organisation oder nicht? Tatsächlich ist das eine Frage, an der das linke Bündnis Nupes in Frankreich, die Neue Ökologische und Soziale Volksunion, aus Sozialisten, Kommunisten, Grünen und der linkspopulistischen Bewegung La France insoumise (LFI) gerade zerbricht. Kurz nach dem Überfall der Hamas auf Israel hatte die LFI-Fraktion in der Nationalversammlung in einem Kommuniqué die Gewalt beider Nahostkonfliktparteien gleichermaßen verurteilt und erklärt: „Die palästinensische militärische Offensive der Hamas erfolgt im Kontext einer verstärkten israelischen Politik der Besetzung in Gaza, im Westjordan und in Jerusalem.“ Am Dienstag schlug die Abgeordnete Danièle Obono in dieselbe Kerbe: Für sie sei die Hamas eine „Widerstandsbewegung“. Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin will Obono nun wegen der „Rechtfertigung von Terror“ anklagen.
Auch die Führung von LFI, in der Jean-Luc Mélenchon als Ex-Präsidentschaftskandidat der Linken immer noch den Ton angibt, möchte sich der Verurteilung der Hamas nicht anschließen. Stattdessen versucht man sich mit einer differenzierenden Definition aus der Klemme zu helfen: „Es handelt sich (bei der Hamas) um eine politische islamistische Gruppe mit einem militärischen Ableger, die zu den palästinensischen politischen Organisationen gehört und die sich zum Ziel gesetzt hat, gegen die Besetzung zu kämpfen und Palästina zu befreien.“
Das ist eine Spitzfindigkeit, mit der sich LFI in der politischen Landschaft Frankreichs isoliert hat – auch innerhalb der Nupes. So bewerten die anderen Parteien die LFI-Stellungnahme sowohl als strategischen wie moralischen Fehler, der die gesamte Linke belasten würde. Die Kommunistische Partei hat sich bereits explizit aus diesem Bündnis verabschiedet, die Sozialisten erwägen es, die Grünen ebenso. In den politischen Kommentaren der französischen Medien wird die Nupes bereits für tot erklärt.
Auch innerhalb von LFI sind nicht alle auf der von Mélenchon diktierten Linie: Sein wichtigster Rivale, François Ruffin, der bei der letzten Umgruppierung aus der Parteileitung entfernt wurde, kritisierte öffentlich die Stellungnahme. Er fordert die französische Linke dazu auf, die „terroristischen Verbrechen der Hamas“ mit eindeutigen Worten zu verurteilen.
Der Streit über die Einschätzung der Hamas könnte damit der Sargnagel für die Linken in Frankreich sein. Schon vorher gab es Spannungen wegen des Umgangs mit den Protesten gegen die Rentenreform. Auch eine gemeinsame Haltung zur Atomenergie gab es nicht.
Möglicherweise spielen auch wahlpolitische Interessen eine Rolle. Kommunisten, Grüne und Sozialisten wollen bei den Europawahlen nicht eine gemeinsame Nupes-Liste, sondern separat eigene Kandidat*innen aufstellen, während La France insoumise auf einer Einheitsliste besteht. Doch außer einigen Sympathisanten an der Basis der betroffenen Parteien glaubt daran niemand mehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen