Die Kunst der Woche: Der Schnitt als Kontaktzone

Kaugummipapier unterm Cutter, mit der Schere an die Leinwand: In der Ausstellung „Schnitt“ im Museum Reinickendorf legt die Cut Out Kunst Räume frei.

Eine Rauminstallation Gabriele Basch: Zwei große Vorhänge aus Leinwandstreifen, die mit Acrylfarbe in Blau- und Lilatönen sowie Orange-, Gelb- und Grüntönen bemalt sind, hängen von der Decke. Im Hintergrund hängen Wandarbeiten von Hansjörg Schneider und Nadja Schöllhammer

Papier trifft Luft und Farbe: Blick in die Ausstellung „Schnitt“ Foto: © Joe Clark

Die angeschnittenen Strohhalme der Rieddächer im Garten des Museum Reinickendorf bilden den zufälligen Pfad zur von Julia Kochanek und Dr. Sabine Ziegenrücker kuratierten Sonderausstellung “Schnitt“, die zurzeit in der GalerieETAGE im Nebengebäude des Museums gezeigt wird.

Das Aus- und Zuschneiden tritt hier als Intervention ins Material auf, nicht als Destruktion, sondern als sanftes Freilegen von Formen, Strukturen und Verläufen, wenn zum Beispiel Hansjörg Schneider weich-silbriges Kaugummipapier bearbeitet. Es muss von den Sorten mit den klassischen flachen Kaustreifen stammen, bei denen das Papier an den Rändern zackig ausläuft und kein Werbeslogan das monochrome Einwickelpapier stört. Auf schwarzem Grund werden Schneiders CutOuts zu filigranen, Raumminiaturen.

Räumlich auch Peter Freitags Arbeiten auf Spiegelflächen, auf denen architektonische Formationen als auf ihr Wesentliches reduziert auftreten. Ganz in Bronze hingegen Lea Mugnainis weich verlaufende Skulpturen, die an den Zwischenwänden der Galerie ihre Entsprechungen in Papier erhalten. Jakob Roepke findet zu schwarzen Bahnen, die sich – abstrakten Pinselstrichen ähnelnd – ineinander verschlingen. Je kleiner das Papierband, desto stärker die Kondensation.

Schnitt, GalerieETAGE im Museum Reinickendorf, bis 19. 11., Mo.–Fr. + So.: 9–17 Uhr, Alt-Hermsdorf 35;

Apéro und Führung mit Dr. Sabine Ziegenrücker und Claudia Wasow-Kania, 7. 11., 18.30–20 Uhr

Luftig geht es noch einmal bei Schneider zu, der weißen Papierschnitten eine dreidimensionale Form verleiht. Mehr negativer Raum als Material, halten sich seine Reliefe ohne große Anstrengung in der Form. Es scheint als werde hier die Luft zum Träger.

Einzig an der Decke befestigt sind Gabriele Baschs ebenfalls ineinander verschlungene, mit Acrylabrieb versehene Leinwandbahnen, die sich frei auf den Boden schlängeln. Auf Baschs Papierschnitten wie „Ride“, die im ersten Raum an der Wand gezeigt werden, erlaubt die Freilegung im Papier es, dem Licht und somit dem Schatten, auf dem Untergrund mitzumalen.

Nadja Schöllhammer, „Yggdrasil“, 2019, 212 x 155 x 35 cm Foto: © Eric Tschernow

Nadia Schöllhammer, die ihre Papierinstallationen auch gerne horizontal über den Boden auslaufen lässt oder in Tusche getränkte Telefonbücher zum Schwarm arrangiert, zeigt hier tummelnde Großformate an der Wand. Papierstücke, mit Acryl getränktes Zeitungspapier und geknüllter Zellstoff sind auf diesen Arbeiten an entscheidenden Stellen mit Farbe unterlegt.

Schöllhammers Arrangements scheinen von den filigranen Klebstofffäden zusammengehalten zu werden, die unter den Elementen immer wieder hervorblitzen. So wie die Gesichter oder Augen, die auf Arbeiten wie „Philemon ohne Baukis“ erst auf den zweiten Blick aus dem Bildraum hervortreten.

Ganz und gar figurativ schließlich die collagierten Tiere, allen voran Vögel wie grüne Wellensittiche und Eulen, von Roepke, die auf 31 kleinen Gouache-Tafeln mit Menschen interagieren, die zu Beginn und Ende der Serie noch mit abstrakten Schemen in Beziehung getreten waren. Der Schnitt als Kontaktzone – wunderbar erfahrbar in dieser Ausstellung.

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