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Gute PR, gefälschte PR

Alle gieren nach dem neuen Heft von „Capital“. In Deutschland kommt nun Post-Pisa-Freude auf

Die Sache funktioniert perfekt. Das Heft stellt die „Exklusivstudie: 100 besten Schulen Deutschlands“ vor. Endlich good news für die Bildung, verrät Chefcapitalist Kai Stepp die PR-Strategie, die ihn mit Microsoft in eine prima Medienpartnerschaft zusammengebracht hat. Der Softwareriese und das Wirtschaftsmagazin haben die vermeintlich besten deutschen Schulen herausgefunden – und prämieren nun drei Gewinner. Die sind hübsch paritätisch: Ein Gymnasium aus dem Westen (Achern, Baden-Württemberg), eins aus dem Osten (Käthe Kollwitz, Halberstadt, Sachsen-Anhalt) und eine Gesamtschule (Bonn-Beuel, NRW).

Die so genannte Studie, durchgeführt von einer Medienagentur in Bonn, hat weniger mit Lernen, sondern viel mehr mit PR zu tun. Eine verschachtelter Mediencluster erzeugt sich selbst das wohlige Gefühl, wonach die frustrierte Dichternation nach zwei miserablen Pisa-Studien lechzt. Und jeder bekommt sein Ergebnis: Microsoft verkündet, die deutschen Schulen seien untercomputerisiert. Capital ist stolz, Uni-Rankings von Stern, Spiegel oder Focus etwas entgegensetzen zu können. Und die RektorInnen der Schulen sind puterrot vor Stolz.

Dabei können Machart und Ergebnisse nur Kopfschütteln hervorrufen. Ausgerechnet beim individuellen Fördern, also da, wo Deutschlands Schulen vollkommen unterbelichtet sind, weil sie weder mit schlechten noch mit besonders guten Schülern umzugehen wissen, sollen die Pennen also gut sein? 80 Prozent der rund 600 befragten Schulen sollen nach Angaben der PR-Agentur Europressedienst speziellen Förderunterricht im Angebot haben – Längen vor den europäischen Vergleichsschulen, die ebenfalls per Mail und Telefon befragt wurden.

Die Bonner PR-Leute, die praktischerweise eine eigene „Forschungsabteilung“ haben, wundert das Ergebnis wenig. Aber das seriöse Institut für Schulentwicklungsforschung (IfS) in Dortmund, der angebliche Koproduzent der Forschung, ist über noch viel mehr erstaunt. „Wir haben damit nichts zu tun“, sagt Heinz Günter Holtappels, Chef des Dortmunder IfS. Das Werk von Capital, Microsoft und Europressedienst, so verrät Holtappels, „ist keine Studie im wissenschaftlichen Sinn. Dafür ist sie methodisch und inhaltlich gar nicht geeignet.“

Was ist da passiert? Capital hat die good news schlicht mit dem Signet der Schulentwicklungsforscher veredelt. Nach Abschluss der Studie hatte Europressedienst dem IfS die Qualitätsparameter der Studie vorgelegt – und Capital machte ein Interview. Das war’s, und das ist die eigentliche Nachricht: Die beteiligten Firmen machen ein prima PR-Geschäft mit den Sorgen der Pisa-frustrierten Nation.

CHRISTIAN FÜLLER

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