piwik no script img

Hochgeschwindigkeitszüge in den USAHigh-Speed-Trains fahren langsam an

In den USA sollen schnelle Züge Flüge und Autos ersetzen. Zielgruppe der Bahnen: junge Leute. Doch die Projekte stocken, die Kosten explodieren.

Brightline West will Los Angeles und Las Vegas mit einer Bahnstrecke verbinden. Doch das ist teuer Foto: Panthermedia/Imago

Washington taz | Es war einst die transkontinentale Eisenbahn, die aus den USA ein vereintes Land machte und deren Aufstieg zur Weltmacht beschleunigte. Heutzutage sind Zug­reisen in den Vereinigten Staaten jedoch mehr Strapaze als wirkliche Alternative zu Auto und Flugzeug. Die einzige Ausnahme bildet der Nordosten des Landes, doch auch hier gibt es großen Nachholbedarf. Eine Lösung, die vor allem in Zeiten des Klimawandels immer mehr Befürworter findet, heißt Hochgeschwindigkeitszüge.

taz-Serie: Mobile Zukunft

Volle Radwege trügen: Klima- und menschenfreundliche Mobilität ist längst nicht normal. In Deutschland etwa ist der Anteil des Verkehrs an den CO2-Emissionen in den letzten 30 Jahren von 13 auf fast 20 Prozent gestiegen – zu viel Gütertransporte auf der Straße, zu viel Individualverkehr. Doch es gibt spannende neue Konzepte für Räder, Busse, Bahnen und Schiffe mit E-Mobilität und neuen Formen des Teilens. Oder auch mehr Verantwortung für Umweltschädigung. Hier stellen taz-Autor:innen Ideen vor, die bereits ausprobiert werden.

Es gibt mehrere Pläne, die aus den USA wieder ein Land der Bahnfahrer machen sollen. Doch lediglich ein Projekt befindet sich tatsächlich im Bau. Ein weiteres steht kurz vor dem Spatenstich und knapp ein halbes Dutzend andere befinden sich noch in der Planungsphase. Trotzdem glauben Experten, dass nach mehreren verpassten Chancen genau jetzt der richtige Zeitpunkt sei, groß in die Technologie zu investieren.

„Mehr und mehr Menschen haben verstanden, dass Autos und Flugzeuge dem Planeten schaden. Die Menschen suchen daher nach Alternativen, die weniger umweltschädlich sind. Viele jüngere Menschen haben eine andere Beziehung zum Auto und besitzen erst gar kein Privatfahrzeug. Es ist vor allem das veränderte Bewusstsein dieser jüngeren Generation, die High-Speed Rail in den USA zur Realität werden lässt“, sagte der Präsident der US High Speed Rail Association, Andy Kunz, im Gespräch mit der taz.

Schaut man sich die aktuelle Bahnsituation im Land an, dann gibt es nur wenig Positives zu berichten. Das Staatsunternehmen Amtrak betreibt nahezu alle Fernverkehrszüge in den USA. Doch das Streckennetz ist zu dünn und die Preise sind zu hoch. Wer mit dem Zug von New York nach Los Angeles reisen will, der braucht vor allem gutes Sitzfleisch. Die schnellste Verbindung wird mit 68 Stunden veranschlagt, und das nur, wenn es zu keiner Verspätung kommt. Für einen Sitzplatz in der 2. Klasse werden hierbei mindestens 320 US-Dollar fällig. Wer ein Schlafabteil will, für den sind es sogar mehr als 1.500 US-Dollar.

Flüge sind oft viel billiger

Im Gegensatz dazu kostet das günstigste One-Way-Flugticket zwischen den beiden Küstenmetropolen weniger als 200 US-Dollar und die Flugzeit beträgt weniger als 6 Stunden. Nur im dicht besiedelten Nordosten der USA ist der Zug konkurrenzfähig. Doch auch hier bevorzugen noch immer viele Menschen den Flieger. Zwischen Washington, New York und Boston betreibt der Staatskonzern Amtrak aktuell auch den einzigen Zug im Land, der den Namen High-Speed Rail zumindest im Ansatz verdient hätte.

Der „Acela“ genannte Schnellzug erreicht auf kurzen Streckenabschnitten eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 240 Stundenkilometern. Da dies nur in wenigen Streckenteilen möglich ist, verkürzt sich die Reisezeit zwischen Washington und New York nur um eine halbe Stunde auf knapp unter 3 Stunden. Wie eine Analyse der US-Eisenbahnaufsichtsbehörde bereits im Jahr 2009 verdeutlichte, eignen sich Streckenlängen von 100 bis 600 Meilen, welche zwei große Metropolregionen verbinden, am besten für Hochgeschwindigkeitsstrecken.

Die einzige im Bau befindliche Hochgeschwindigkeitstrasse entsteht aktuell in Kalifornien. Dort sollen die Großstädte San Francisco und Los Angeles miteinander verbunden werden. Die Vision verspricht eine Fahrtzeit von 2 Stunden und 40 Minuten. Doch ausufernde Kosten haben zu massiven Verzögerungen geführt. Nur 119 der insgesamt 500 Meilen befinden sich aktuell im Bau.

„Wir haben in diesem Land bislang etwa 9 Milliarden Dollar in High-Speed Rail investiert. Im Vergleich dazu hat China 1,2 Billionen in den Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes gesteckt. Wir haben in den vergangenen 70 Jahren alle unsere Gelder in den Straßenausbau und Flugverkehr investiert und die Eisenbahn links liegen gelassen“, bemängelte Kunz.

Als „Zug nach nirgendwo“ belächelt

Aufgrund der fehlenden Gelder wird derzeit nur der Streckenabschnitt zwischen Merced und Bakersfield in Zentralkalifornien fertiggestellt. Dieses Teilstück wird in den US-Medien oft hämisch als „Zug nach nirgendwo“ tituliert. Dieser erste Streckenabschnitt soll bis spätestens 2033 betriebsbereit sein. Die gesamte Strecke zwischen San Francisco und Los Angeles soll knapp 128 Milliarden Dollar kosten und damit fast 100 Milliarden mehr als die ursprünglich veranschlagten 33 Milliarden.

Mit jedem weiteren Tag steigen auch die Kosten. Gleichzeitig werden der Klimawandel und die Verkehrssituation immer schlimmer.

Kyle Simerly, California High-Speed Rail Authority

„Mit jedem weiteren Tag steigen auch die Kosten. Gleichzeitig werden der Klimawandel und die Verkehrssituation immer schlimmer. Auch deshalb treiben wir das Projekt voran, um Hochgeschwindigkeitszüge in den USA zu etablieren“, sagte Kyle Simerly von der California High-Speed Rail Authority.

Noch in diesem Jahr soll der Startschuss für ein zweites groß angelegtes Hochgeschwindigkeitsprojekt in Kalifornien fallen. Das Unternehmen Brightline West soll die Städte Las Vegas und Los Angeles miteinander verbinden. Auch bei diesem überwiegend aus privaten Geldern finanzierten Projekt sind die Kosten bereits deutlich gestiegen. Brightline ist dabei aktuell das einzige private Bahnunternehmen in den USA, welches Intercity-Passagier-Züge betreibt.

Seit 2018 pendeln die gelben Brightline-Züge zwischen Miami und West Palm Beach im Süden Floridas hin und her. Seit vergangenem Monat (22. September war die Eröffnung) können Kunden auch bis nach Orlando weiterreisen. Auf der neugebauten Strecken zwischen West Palm Beach und dem Flughafen von Orlando erreichen die von Siemens gebauten Brightline-Züge eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h und befinden sich damit an der Schwelle zu High-Speed-Rail.

Biden unterstützt die Eisenbahn

Ähnliche Konzepte gibt es auch in Texas, dem pazifischen Nordwesten oder dem Südosten der USA. US-Präsident Joe Biden, der während seiner Zeit im US-Senat als „Amtrak-Joe“ bekannt war, ist seit Jahren ein großer Unterstützer der Eisenbahn. Ein im November 2021 verabschiedetes Infrastrukturgesetz enthält 66 Milliarden Dollar für Bahnprojekte. Geld speziell für den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsstrecken gibt es allerdings nicht.

Wir müssen den Ball einfach ins Rollen bringen

Andy Kunz, US High Speed Rail Association

„Wir müssen den Ball einfach ins Rollen bringen. Sobald Amerikaner sehen, wie schnell, bequem und sicher Hochgeschwindigkeitszüge sind, werden sie solche Verbindungen im ganzen Land verlangen“, sagte Kunz.

Politisch stemmen sich vor allem Republikaner gegen die Förderung der Technologie durch Steuergelder. Doch im Hinblick auf das veränderte Klima­be­wusstsein im Land und die zunehmende Überlastung des Straßen- und Flugverkehrs könnte High-Speed Rail endlich seinen Platz in den USA finden. Vielleicht kann sich noch dieses Jahr diesbezüglich etwas tun.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • "Fehlende Gelder" kann es aus staatlicher Sicht eigentlich nicht geben.

    "Der Staat hat das Monopol auf seine Währung. Nur er darf Geld erzeugen. Und das bedeutet, dass er so viel Geld ausgeben kann, wie er braucht. Nur seine eigenen politischen Gesetze wie die Schuldenbremse oder die Defizitregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts hindern ihn daran."

    www.oekologiepolit...fn7gp_CqM0RuxG5kVo

    www.pufendorf-gese...d-mit-der-tastatur

    Unsere Fiskalregeln und die Politik ignorieren jedoch diese Tatsache. Sie sollten als Ausgabengrenzen vielmehr die Endlichkeit der Ressourcen setzen. Dann müsste man auch keine Inflation durch mehr Geld befürchten.

    Anders als oft behauptet ist Gelddrucken keine Ursache von Hyperinflationen sondern nur eine Folge.



    Ursachen sind vielmehr Angebotsschocks durch z.B Kriege, Embargos oder Missernten:

    www.geldfuerdiewel...gen-buch-inflation

    • @Wolfgang Amadeus:

      "Der Staat hat das Monopol auf seine Währung."



      Da liegt die Betonung auf "seine". Sobald die rutscht, setzt die Flucht in Parallelwährungen an.



      Das müssen gar nicht andere staatliche Währungen sein. Es gab in Deutschland eine Zeit, in der eine Stange Zigaretten ein allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel war, von 1945 bis zur Währungsreform.



      Das Bedürfnis nach einem Tausch-, Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel emergiert aus der Warenwirtschaft, unabhängig von staatlichem Handeln. "Der Staat" setzt sich da nur drauf, und wenn er "seine" Währung vergurkt, siehe oben.

      • @sollndas:

        Warum die Währung eben nicht rutscht, habe ich oben erläutert. Siehe insbesondere den letzten Link.

        • @Wolfgang Amadeus:

          "Siehe... Link."



          Sorry, ich habe weder Zeit noch Lust, mich in die Mikrodetails einer Esoterik einzuarbeiten, die schon makroskopisch der Realität nicht Stand hält.

          • @sollndas:

            Sie würden dadurch Ihren Irrtum erkennen. Aber man kann natürlich niemanden zu seinen Glück zwingen.

            • @Wolfgang Amadeus:

              "Sie würden dadurch Ihren Irrtum erkennen."



              Welcher Irrtum?

              • @sollndas:

                "Höhere Geldmenge = Inflation"

                • @Wolfgang Amadeus:

                  Was ist daran falsch?



                  Das ergibt sich (a) einfach aus der Logik des Warenverkehrs und ist (b) mühelos empirisch zu beobachten.

                  • @sollndas:

                    Nur: Waren und Warengeld haben einen inneren Wert, der sich nach Angebot und Nachfrage richtet. Staatliches Fiatgeld hingegen hat nur einen von außen vorgegebenen Wert. Deshalb funktioniert diese Logik nicht für das Fiatgeld.

                    Und die Empirie besteht höchstens auf den ersten Blick. Sieht man genauer hin, erkennt man, dass das Gelddrucken in der Geschichte - wenn überhaupt - immer nach dem Beginn der Inflation begonnen hat und nie vorher.

                    • @Wolfgang Amadeus:

                      "...von außen vorgegebenen Wert."



                      Wo ist "außen"?



                      "Gebt mir einen festen Punkt in der Luft, und ich hebe die Welt aus den Angeln"?

                      • @sollndas:

                        Äußerer Tauschwert, vom Staat vorgegeben.

                        de.m.wikipedia.org/wiki/Fiatgeld

                        • @Wolfgang Amadeus:

                          Äh, ebenda :



                          "Durch eine gesetzliche Festlegung als Zahlungsmittel in einer Währungsverfassung alleine erlangt es aber nicht zwangsläufig die Eigenschaften von Geld,[5] sondern erst durch die allgemeine Akzeptanz von Handelspartnern (Zahlern, Beziehern)..."



                          Viel Vergnügen mit der "Akzeptanz", wenn die Geldmenge nicht begrenzt wird.

                          • @sollndas:

                            Deshalb sind ja Steuern so wichtig, für die Akzeptanz einer Währung.

                            Und das etwaige Schwinden von Akzeptanz einer Währung bei Anlegern im Falle einer Geldmengenausweitung kann ja nur aus dem Irrglauben derselben an eine Inflation durch diese Ausweitung resultieren.



                            Also ist nicht zuletzt deswegen Aufklärungsarbeit erforderlich, um diesen Irrglauben aus der Welt zu Schaffen, der für so viele Missstände mit verantwortlich ist..