Pekings Außenpolitik auf der Überholspur: Chinas diplomatischer Drahtseilakt
Demonstrative Freundschaft mit Moskau, positive Signale gegenüber Washington: Pekings Außenpolitiker versuchen sich derzeit an einem fragilen Spagat.
Eine passende Gelegenheit dafür dürfte das im November stattfindende Asien-Pazifik-Forum (Apec) in San Francisco bieten: Laut Medienberichten werden die Staatschefs Joe Biden und Xi Jinping dabei das persönliche Gespräch suchen.
Fast zeitgleich besuchte jetzt Chinas Außenminister Wang Yi seinen Amtskollegen Sergej Lawrow in Moskau. Dabei pries Wang nicht nur die sich vertiefende Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern, sondern machte auch deutlich, dass man sich von keiner Drittpartei reinreden lassen würde.
Die weltweite Präsenz der chinesischen Außenpolitiker ist überaus beeindruckend – zumal die noch vor wenigen Jahren vorherrschende Maxime war, sich in Zurückhaltung zu üben.
Beziehungen zum Westen kitten, loyal zu Moskau stehen
Längst hat sich Xi Jinpings Leitlinie ins Gegenteil verkehrt: Peking vertritt seine Interessen so selbstbewusst wie nie. Und zugleich verdeutlicht Chinas Auftreten in Moskau und New York den fragilen und teils widersprüchlichen Drahtseilakt, den die Volksrepublik vollbringen möchte: die Beziehungen zum Westen kitten und loyal an Moskaus Seite stehen.
Teil dieses chinesischen Mittelweges ist auch das sogenannte 12-Punkte-Papier, das Wang Yi im Februar bei der Münchner Sicherheitskonferenz präsentierte. Darin stellt Peking seine Vision für eine politische Lösung des Ukraine-Kriegs vor.
Die meisten europäischen Staatschefs waren damals enttäuscht von dem substanz- und zahnlosen Papier. Wenn sich daraus überhaupt etwas Konkretes herauslesen ließe, dann am ehesten die Forderung nach sofortigen Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine bei Beibehaltung der derzeitigen Grenzen, was Kyjiw aus guten Gründen ablehnt.
Lob erhält Chinas Initiative nun vom Aggressor selbst. Das Positionspapier ziehe die Sicherheitsbedenken aller Seiten in Betracht, sagte Lawrow bei seinem Treffen mit Wang am Montag. Russland sei weiter offen für Dialog und möchte zu einer konstruktiven Lösung der Krise beitragen, heißt es weiter.
China hat Russland längst als Partner gewählt
Doch aus Sicht Brüssels gibt es wenig Zweifel, dass Peking sich zwar als Friedensmacht inszeniert, aber mitnichten neutral in diesem Konflikt ist. Stattdessen hat China seine Seite längst gewählt.
So ist es auch kein Zufall, dass Russlands Präsident Wladimir Putin ausgerechnet seinen erste Auslandsreise nach Verhängung des internationalen Haftbefehls nach Peking machen wird. Im Oktober wird ihm dort beim sogenannten „Belt and Road“-Forum der rote Teppich ausgerollt.
Zudem haben die Chinesen erst letzte Woche einen ihrer vier Vize-Premiers zu einem Treffen mit Putin geschickt. Dass die Wahl des Entsandten ausgerechnet auf Zhang Guoqing fiel, sollte im Westen die Alarmglocken schrillen lassen: Der 69-Jährige ist nämlich dafür bekannt, dass er als langjähriger Parteisekretär und späterer Hauptgeschäftsführer bei Norinco gedient hat – einem der weltgrößten Waffenproduzenten.
Die Personalie legt nahe, dass die zwei Seiten Möglichkeiten zur militärischen Zusammenarbeit ausgelotet haben.
Waffenlieferungen an Moskau bleiben tabu
Offiziell hat sich Peking allerdings bislang deutlich positioniert: Man werde keine Waffen an die Kriegsparteien liefern. Denn man sei sich klar darüber, dass dies eine rote Linie für den Westen darstelle – und eine Missachtung massive wirtschaftliche Kosten nach sich ziehen würde.
Insbesondere zum jetzigen Zeitpunkt möchte man den Preis nicht zahlen: Chinas Wirtschaft steht schließlich vor den größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug
Nach Hinrichtung von Jamshid Sharmahd
„Warum haben wir abgewartet, bis mein Vater tot ist?“
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“