Tote bei Armeeeinsatz gegen Sekte: Kongos spirituelle Hetzer

In der Stadt Goma geht die Armee gewaltsam gegen eine Sekte vor. Sie ist mit „patriotischen“ Milizen liiert, die gegen Rebellen kämpfen wollen.

Luftbild der Stadt Goma.

Luftbild der Großstadt Goma Foto: Ben Curtis/ap/picture alliance

KAMPALA taz | Die Situation sei wieder „unter Kontrolle“, versichert Kaiko Njike, Militärsprecher der Provinz Nord-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Auf dem Video, das Mittwoch mittag in der Provinzhauptstadt Goma aufgenommen wurde, sieht man hunderte Kongolesen in der prallen Sonne auf dem Boden sitzen, darunter Frauen und Kleinkinder, umzingelt von bewaffneten Soldaten. Darunter auch Frauen und Kleinkinder. „Wir haben sie festgenommen“, so Njike. Über die Zahl der Toten will er noch nichts sagen. Dazu sei es noch „zu früh“.

Wazalendo (Swahili für „Patrioten“) nennen sich die Jugendbanden in der Millionenstadt Goma und dem Umland. Es sind spirituelle Bürgerwehren, wie sie in Kriegszeiten in dieser Region Afrikas regelmäßig auftauchen. Seit Kongos Präsident Felix Tshisekedi vergangenes Jahr angesichts des Vormarsches der M23-Rebellen rund um Goma eine Generalmobilmachung zur „Landesverteidigung“ ausrief, schießen diese Milizen wie Pilze aus dem Boden. Sie bewaffnen sich mit Macheten und Messern und sagen, sie wollten ihre Dörfer und das Vaterland verteidigen.

Ihr Ärger richtet sich gegen das Nachbarland Ruanda, welches die Tutsi-Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März) unterstützt, gegen kongolesische Tutsi und gegen ausländische Friedenstruppen wie die UN-Mission im Kongo (Monusco) sowie die ostafrikanische Eingreiftruppe aus Uganda, Kenia und Burundi, deren Mandat es ist, einen Waffenstillstand zu überwachen.

Am Dienstag hatten die Wazalendo einen weiteren Protestmarsch in Goma gegen die ausländischen Truppen angekündigt. Die Militärregierung von Nord-Kivu hatet dies untersagt. Was genau dann in der Nacht auf Mittwoch in den Armenvierteln von Goma geschah, lässt sich im Detail nicht vollständig rekonstruieren. Aus verschiedenen Quellen hat die taz erfahren, dass sich einige Wazalendo mitten in der Nacht in einer Kirche im Stadtviertel Kyeshero zusammenfanden.

Prediger ist eine Art spiritueller Führer

Der Prediger dort, Efraim Bisimwa, fungiert wie eine Art spiritueller Führer. Seine Sekte nennt sich laut einem internen UN-Ermittlungsbericht, den die taz gesehen hat, „Natürlicher jüdischer messianischer Glaube an die Nation“, kurz: FNJMN. In seinen Predigten hetzt er gegen „ausländische Besatzer“.

In seinen Kirchengebäuden befindet sich eine lokale Radiostation, die nach der Kirche „Uwezo wa neno“ (RTUN) heißt – „Die Macht des Wortes“. Über den Sender verbreitet Bisimwa seine Botschaften. Auf sein Geheiß hin formierten sich in den vergangenen Monaten in vielen Dörfern neue Bürgermilizen.

Angeblich hatte der Prediger in den Morgenstunden des Mittwochs einen Gebetszug durch die Straßen von Kyeshero geplant. Im Nachbarviertel Ndosho hielten die Wazalendo ein geheimes nächtliches Treffen ab, um trotz Verbotes den Protestmarsch vorzubereiten. Ein Polizist, der das Treffen entdeckte, wurde nach Militärangaben von den Jugendlichen schwer verprügelt und starb später an seinen Verletzungen. Ab 3:45 Uhr am Morgen fielen dann zahlreiche Schüsse, über eine halbe Stunde lang, so Anwohner.

Die Armee war angerückt. Sie sollte laut Provinzregierung das „Chaos“ auflösen, das „bewaffnete Banditen auf Drogen und aufgehetzt“ angestiftet hätten, mit „Prophet“ Bisimwa als „Manipulator“. Die Streitkräfte hätten „sehr professionell“ eingegriffen. Einige „Banditen“ seien bewaffnet gewesen.

Sektenanhänger Moïse Hangi gibt gegenüber lokalen Journalisten an, dass die Anhänger lediglich leichte Waffen wie Macheten und Speere hätten. Die Armee habe „unverhältnismäßig“ gehandelt.

Die offizielle Bilanz von Kongos Armee: ein toter Polizist, 48 tote und 75 verletzte „Banditen“ und 168 Festgenommene, darunter auch der Prediger selbst. Die UN meldete zuvor zehn Tote. In einem Handyvideo, das die taz gesehen hat, offenbar gefilmt von Nachbarn der Kirche, sieht man, wie Soldaten sieben Leichen auf einen Lastwagen laden.

Kongos Armee sagt nun, die Ordnung sei wiederhergestellt. Die UN-Mission bleibt in Alarmbereitschaft.

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