Spanischer Fußballpräsident tritt zurück: Nur ein Kopf einer Hydra
Rubiales tritt nach langem Zaudern vom Amt des spanischen Fußballpräsidenten zurück. Der Druck des Weltverbands dürfte entscheidend gewesen sein.
Víctor Mollejo griff sich obszön ans Gemächt. Einmal, zweimal, dreimal. Der Zweitligastürmer von Real Saragossa hatte am Sonntag ein Tor geschossen und zitierte im Jubel darüber den spanischen Fußballchef Luis Rubiales und dessen Geste auf der Ehrentribüne beim WM-Finale. Was Mollejo in dem Moment nicht wissen konnte: Seine Solidaritätsbekundung, – wenn es eine gewesen sein soll –, verfing nicht mehr. Rubiales bereitete zur der Zeit seinen Rücktritt vor.
Es war seit Stunden dunkel geworden, als er ihn dem Verband mitteilte und über ein Kommuniqué öffentlich machte. „Es ist evident, dass ich nicht in mein Amt zurückkehren kann“, schrieb er. In der Tat sah das die übrige Welt schon so, seit er die einzige Chance auf eine aufrichtige Entschuldigung für seinen Kuss auf den Mund von Weltmeisterin Jenni Hermoso direkt im Anschluss an das WM-Finale verpasst hatte und stattdessen reihenweise Verbalausfälle und Manipulationsversuche vom Stapel ließ.
Spätestens aber, seit er sich fünf Tage später in einer infamen Rede vor seinen Verbandsclaqueuren zum Opfer von „falschem Feminismus, einer großen Plage in diesem Land“ stilisierte. Bereits danach hatte ihn die Fifa für drei Monate suspendiert.
Der unmissverständlichen Haltung des Weltverbandes ist es zuvorderst geschuldet, dass dem Funktionärsdesperado doch Einhalt geboten wurde. Wo die spanische Politik wegen eines Urteils des nationalen Sportverwaltungsgerichts nicht eingreifen durfte, wo der spanische Fußballverband zu einer Selbstreinigung außerstande war, wo aus dem europäischen Verband Uefa, dessen Vize Rubiales war, nichts kam, – da brachte ihn die Fifa zu Fall, indem sie nicht nur ein dauerhaftes Amtsenthebungsverfahren initiierte, sondern Spanien auch die Chancenlosigkeit seiner WM-Kandidatur für 2030 für den Fall eines Festhaltens an Rubiales verdeutlichte.
Sorge vor nächstem Rubiales
Sein Freund Aleksander Ceferin, Uefa-Chef, soll ihm in dieser Hinsicht zuletzt noch mal die Augen geöffnet haben. „Es gibt faktische Kräfte, die meine Rückkehr verhindern werden“, musste Rubiales sich eingestehen, zumal nachdem die Staatsanwaltschaft vorige Woche ein Strafverfahren gegen ihn beantragt hatte.
Von Einsicht oder gar Reue konnte in seinem Kommuniqué indes keine Rede sein. Man darf abwarten, ob es sie zu sehen geben wird, wenn im Lauf der Woche das exklusive Interview ausgestrahlt werden soll, das Rubiales am Sonntag dem englischen Journalisten Piers Morgan gab. Das gilt aber als unwahrscheinlich. Morgan dürfte nämlich kaum eine zufällige Wahl gewesen sein. Der Moderator, bei dem auch Cristiano Ronaldo vorige Saison seinen Bruch mit Manchester United einleitete, gilt in seiner Heimat als ausgewiesener Chauvinist.
Derweil versicherte in Spanien der Sportstaatssekretär Víctor Francos: „Jetzt geht der Fall Rubiales erst richtig los.“ Die Regierung will sich per Gesetzesnovellen den notorisch korrupten und durchweg männerkontrollierten Fußballverband vorknöpfen, bevor der in den spätestens 2024 anstehenden Wahlen den nächsten Rubiales installiert. Ein Kopf der Hydra ist abgeschlagen, aber wie viel weitere werden wachsen? Die Nationalspielerinnen bleiben so skeptisch, dass sie auch nach der Entlassung von Trainer Jorge Vilda vorige Woche ihren Auswahlboykott aufrechterhielten.
Im Zusammenspiel verdeutlichten ein Torjubel und eine weltweit erwartete Demission am Sonntagabend zweierlei: Spaniens Fußball ist seinen bekanntesten Macho nun los. Aber er hat noch einen langen Weg vor sich, um auch die Kultur zu vertreiben, für die Rubiales stand.
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