Neue Werbekampagne in Brandenburg: Die Dialektik der Provinz
Motzen, Kotzen, Ranzig. Brandenburg hat nicht nur hübsche Ortsnamen. Ausgerechnet mit denen will das Land nun werben. Das geht gründlich daneben.
Hamburg hat schon 2017 einen Gruß nach Brandenburg geschickt Foto: picture alliance / Christophe Gateau/dpa
Ob das jemand versteht in Hamburg oder München? Den bisherigen Slogan des Brandenburg-Marketings – „Es kann so einfach sein“ – konnte jeder verstehen. Aber werben mit Komtzen, Motzen, Ranzig und Sargleben?
Die Brandenburger Staatskanzlei will es mal ausprobieren, wenn auch nur bis zum Tag der Deutschen Einheit. Einen Monat will die Mark, die sonst mit ihrer Idylle hausieren geht, mit Orten auf sich aufmerksam machen, bei denen man das Gegenteil vermutet. Neben Kotzen, Motzen, Ranzig und Sargleben sind das Pitschen-Pickel, Protzen, Sauen, Kackrow und Knoblauch. „Schöne Orte“, heißt es dazu aus der Staatskanzlei, „brauchen keine schönen Namen.“
Ach, hätten die Verantwortlichen in Potsdam sich doch ein Beispiel an Stuttgart genommen. „Wir können alles außer Hochdeutsch“ war ein geniales Sich-auf-die-Schippe-Nehmen. Seitdem freilich hängt die Latte hoch, und manchmal bringt bemühte Selbstironie nur ein gequältes Lächeln hervor wie beim „Land der Frühaufsteher“ in Sachsen-Anhalt.
Ein Blick über den märkischen Tellerrand hätte auch gezeigt, dass die wirklichen „Schockorte“ wo ganz anders liegen. Der RBB hat sich die Mühe gemacht, sie aufzuzählen und ist vor allem in Bayern fünfig geworden: Oberkotzau, Pups, Petting, Feucht, Sack, Tuntenhausen. Wie werden sie wohl in München reagieren, wenn im Radio ein Brandenburg-Spot aus Ranzig läuft? Mit Schenkelklopfen?
Oder mit einem Oha! Denn selbstredend ist die Kampagne nicht eindimensional, sondern höchst vielschichtig. Nicht nur die unschönen Namen werden genannt, sondern auch, was die Orte an Schönem zu bieten haben.
Der Witz wird sogar erklärt
Über Ranzig heißt es zum Beispiel: „Hier riecht nichts schlecht! Weder die beliebte Wurst der hiesigen Agrargenossenschaft noch das klare Wasser des Ranziger Sees. Einheimische und Camper reden deshalb auch eher über die kleine, aber feine Attraktion am Ortsrand: Brandenburgs einzige Handseilzugfähre bringt seit über 20 Jahren Hund, Katz und Maus und nicht zuletzt Touristen aus aller Welt trockenen Fußes von Ranzig nach Leißnitz.“
Echt jetzt? Ein bisschen ist das so, als ob die Werbung aus Baden-Württemberg am Ende erklärt, dass es schon ein paar Schwaben gibt, die auch Hochdeutsch können.
Aber vielleicht tut man der neuen Kampagne auch unrecht mit solcher Spitzfindigkeit. Vielleicht entspringt sie sogar einem pädagogischen Anliegen. All die unschönen Namen nämlich, heißt es auf der offiziellen Werbeseite, hätten einen slawischen Ursprung. Gehen wir also in uns und fragen uns, warum wir ausgerechnet über die slawischen Namen die Nase rümpfen.
Ganz schön dialektisch, diese Provinz!
Neue Werbekampagne in Brandenburg: Die Dialektik der Provinz
Motzen, Kotzen, Ranzig. Brandenburg hat nicht nur hübsche Ortsnamen. Ausgerechnet mit denen will das Land nun werben. Das geht gründlich daneben.
Hamburg hat schon 2017 einen Gruß nach Brandenburg geschickt Foto: picture alliance / Christophe Gateau/dpa
Ob das jemand versteht in Hamburg oder München? Den bisherigen Slogan des Brandenburg-Marketings – „Es kann so einfach sein“ – konnte jeder verstehen. Aber werben mit Komtzen, Motzen, Ranzig und Sargleben?
Die Brandenburger Staatskanzlei will es mal ausprobieren, wenn auch nur bis zum Tag der Deutschen Einheit. Einen Monat will die Mark, die sonst mit ihrer Idylle hausieren geht, mit Orten auf sich aufmerksam machen, bei denen man das Gegenteil vermutet. Neben Kotzen, Motzen, Ranzig und Sargleben sind das Pitschen-Pickel, Protzen, Sauen, Kackrow und Knoblauch. „Schöne Orte“, heißt es dazu aus der Staatskanzlei, „brauchen keine schönen Namen.“
Ach, hätten die Verantwortlichen in Potsdam sich doch ein Beispiel an Stuttgart genommen. „Wir können alles außer Hochdeutsch“ war ein geniales Sich-auf-die-Schippe-Nehmen. Seitdem freilich hängt die Latte hoch, und manchmal bringt bemühte Selbstironie nur ein gequältes Lächeln hervor wie beim „Land der Frühaufsteher“ in Sachsen-Anhalt.
Ein Blick über den märkischen Tellerrand hätte auch gezeigt, dass die wirklichen „Schockorte“ wo ganz anders liegen. Der RBB hat sich die Mühe gemacht, sie aufzuzählen und ist vor allem in Bayern fünfig geworden: Oberkotzau, Pups, Petting, Feucht, Sack, Tuntenhausen. Wie werden sie wohl in München reagieren, wenn im Radio ein Brandenburg-Spot aus Ranzig läuft? Mit Schenkelklopfen?
Oder mit einem Oha! Denn selbstredend ist die Kampagne nicht eindimensional, sondern höchst vielschichtig. Nicht nur die unschönen Namen werden genannt, sondern auch, was die Orte an Schönem zu bieten haben.
Der Witz wird sogar erklärt
Über Ranzig heißt es zum Beispiel: „Hier riecht nichts schlecht! Weder die beliebte Wurst der hiesigen Agrargenossenschaft noch das klare Wasser des Ranziger Sees. Einheimische und Camper reden deshalb auch eher über die kleine, aber feine Attraktion am Ortsrand: Brandenburgs einzige Handseilzugfähre bringt seit über 20 Jahren Hund, Katz und Maus und nicht zuletzt Touristen aus aller Welt trockenen Fußes von Ranzig nach Leißnitz.“
Echt jetzt? Ein bisschen ist das so, als ob die Werbung aus Baden-Württemberg am Ende erklärt, dass es schon ein paar Schwaben gibt, die auch Hochdeutsch können.
Aber vielleicht tut man der neuen Kampagne auch unrecht mit solcher Spitzfindigkeit. Vielleicht entspringt sie sogar einem pädagogischen Anliegen. All die unschönen Namen nämlich, heißt es auf der offiziellen Werbeseite, hätten einen slawischen Ursprung. Gehen wir also in uns und fragen uns, warum wir ausgerechnet über die slawischen Namen die Nase rümpfen.
Ganz schön dialektisch, diese Provinz!
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Kommentar von
Uwe Rada
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.
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