BERNHARD PÖTTER RETTUNG DER WELT
: Grillen für den Klimaschutz

Im französischen Fernsehen wird gezeigt, wie ein rasantes bayerisches Auto die Klimakatastrophe bekämpft. Und die Hersteller von Holzkohle sagen, dass ihr Produkt den Wald rettet. Wie geht das denn?

Auf Ökothemen muss man im französischen Fernsehen oft lange warten. Aber zum Glück gibt es ja die Werbung: Da gleitet der BMW der 1er-Serie durch eine grüne Küstenlandschaft, alles ist ganz wunderbar „efficientdynamic“, und am Schluss informiert man uns noch: Der Wagen stößt nur 119 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Deshalb wird er beim Kauf mit bis zu 700 Euro vom französischen Staat subventioniert. „Guck mal, ein Ökoauto!“, sagt mein Sohn.

Herzlichen Glückwunsch an die Marketing-Abteilung von BMW!

Denn sie und ihre Kollegen schaffen gerade ein Meisterstück. Sie nehmen die Klimadiskussion mit all ihrem Ökohype – und machen daraus eine neue Werbestrategie. Nicht mehr so defensiv wie früher, als Shell nach dem Bohrinselschlamassel auf die Knie sank („Wir haben verstanden“). Auch nicht so beladen von Schuldkomplexen wie jene Hersteller, die beteuerten, ihr Waschmittel sei jetzt 100-prozentig biologisch abbaubar. Nein, heute geht es ums Ganze: Wir retten die Welt – und zwar genau mit diesem Produkt.

Zum Beispiel das Grillen: Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat recht, wenn er diese Orgie der Fleischeslust die „ungesündeste Art, ungesundes Essen zuzubereiten“ nennt. Aber dieses Opfer muss meine Familie jetzt bringen: Ich schütte die Holzkohle säckeweise auf den Grill, um das Klima zu retten – seit ich auf den Packungen gelesen habe, dass Holzkohle nicht zum Treibhauseffekt beiträgt und auch noch hilft, den Wald aufzuräumen.

Will ich dann nach dem Riesensteak vom Grill noch etwas wirklich Gutes für die Umwelt tun, steige ich ins Flugzeug. Bei easyjet und anderen Airlines ist das ganz leicht: Bei der Online-Buchung werde ich an meine Verantwortung für die Umwelt erinnert und kann meinen Flug CO2-neutral gestalten. Anders als beim Anbieter atmosfair klärt mich easyjet nicht spielverderberisch darüber auf, dass ich besser am Boden bleibe – und berechnet mir einen Schnäppchenpreis für mein gutes Gewissen. Das ist Fortschritt!

Seiner Firma mit Halbwahrheiten ein grünes Image zu geben, das heißt Greenwashing. Das macht inzwischen fast jeder große Verschmutzer, wie eine Studie der NGO „Lobbycontrol“ (www.lobbycontrol.de/download/greenwash-studie.pdf) treffend darstellt. Aber seine ökofeindlichen Produkte zur Lösung der Ökoprobleme anzubieten als Heilmittel gegen die Probleme, die es selbst verursacht, so innovativ (oder frech) sind dann doch nicht alle. Gibt es jenseits der PS-Protzerei einen Grund für den Kauf des Sprit saufenden SUV-Monsters Q7 von Audi? Unbedingt, sagt die Werbung des Konzerns: Wer etwas gegen Atemschwierigkeiten und Bronchialerkrankungen unserer Kinder tun will, der muss den Q7 Diesel fahren, weil der so tolle Filter und Katalysatoren hat. Jedes Mal, wenn ich jetzt aufs Fahrrad steige, habe ich also ein schlechtes Gewissen. Weil ich anders als die Audi-Fahrer Asthmakindern durch meine Art der Fortbewegung nicht helfe.

Und wenn gar nichts mehr gegen die Klimakatastrophe hilft, muss ich Fan von Borussia Dortmund werden. Sagt mir jedenfalls der Steinkohlekonzern RAG. Der zeigt auf einem Plakat zwei Tipp-Kick-Männchen in den Vereinsfarben mit der Frage: „Was tust du eigentlich für den Klimaschutz?“ Antwort: „Siegen. Denn wenn wir siegen, herrscht bei uns immer gutes Klima.“

Bei all den anderen ausgebufften Ökoschwindeleien ist man da richtig dankbar für die gute alte Ignoranz.

■ Der Autor ist Journalist in Paris und Gemüsegriller Foto: Rolf Zöllner