Sarkasmus im Sommer: Das wunderbare Fruchtfliegenfeeling
Missmutig schleppen wir uns durch den Schlechte-Laune-Sommer 2023. So manches Tier hat bessere Tricks für schlechte Zeiten drauf.
D ass Fruchtfliegen Krebs erschnuppern können, ist wissenschaftlich belegt. Dass die Fruchtfliege aber auch gern Karussell fährt, ist neu. Konstanzer Forscher haben das festgestellt. Auch wenn andere Wissenschaftler diese Entdeckung noch nicht bestätigt haben, möchte ich das gerne glauben, denn diese Nachricht gehört für mich zu den schönsten dieses Sommers.
Während die Welt ansonsten den apokalyptischen Reitern bei der Arbeit zusieht – Feuersbrünste, Flutwellen, Kokainschwemmen, Inflation (im Galopp), Deindustrialisierung (nicht mehr nur schleichend), Konjunktur (stark schwächelnd), Fachkräftemangel (eklatant), Massentourismus (zerstörerisch) –, ist es doch schön zu wissen, dass wenigstens die Fruchtfliege Spaß in ihrem Leben zu haben scheint.
Nicht auszudenken, was gewesen wäre, hätte die Wissenschaft festgestellt, dass die Fruchtfliege im Privatleben einfach nur eine nörgelnde Griesgrämin ist, deren schwere Abhängigkeit von faulendem Obst zu einer drastischen Lebenszeitverkürzung führt. Länger als zehn Tage überlebt sie das Ganze nämlich sowieso nicht, jedenfalls dann nicht, wenn sie männlich ist. Weibliche Fruchtfliegen sind da ein wenig resilienter.
Zurück zum Sommer. Der von 2023 ist der schlechtestgelaunte, seit es Schlechte-Laune-Sommer-Aufzeichnungen gibt. Das Gefühl, eine Fruchtfliege auf Karussellfahrt zu sein, stellte sich zwar immer mal wieder, aber leider immer nur für ein, zwei Tage ein.
Der Sommer ist nicht immer psychisch einfach
Für Menschen, die schon einige Sommer hinter sich haben, ist ein mieser Sommer psychisch nicht ganz einfach: Köpper vom Dreier geht, altersbedingt, schon seit ein paar Jahren nicht mehr so gut. Jeder vermurkste Sommer ist ein Sommer weniger, den man noch hat. Andererseits ist das Gute an einer ansehnlichen Summe hinter einem liegender Sommer: Sarkasmusgönnung. Umfragehoch von Nazis? Kennen wir schon, geht auch wieder vorbei. Die Frage ist nur, wie man zwischendrin dafür sorgt, dass möglichst wenige Leute dabei draufgehen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Und bevor es wieder richtig ernst wird, weil alle aus dem Sommerurlaub zurückkommen und der Wahlkampf wieder losgeht (Bayern, Hessen, Lanz), kann man sich ruhig weiter mit Tiergeschichten beschäftigen. Abgesehen von der auf Fahrgeschäfte stehenden Fruchtfliege hatten wir da neben ausbüchsenden Zootieren und Wildschweinen in Tarnkostümen in diesem Sommer noch die Kokshaie.
Die radikalsten Vertreter dieser Mitwasserbewohner leben vor der Küste Floridas an einer hoch frequentierten Drogenschmuggelroute. Angesichts des konzentrierten Kokaingehalts im Wasser jener Gegend gehen Wissenschaftler nun davon aus, dass die Haie davon high werden könnten. Die Sache mit den Drogen eskaliert ganz offensichtlich weltweit und nicht nur rund um den Görli.
Ob Orcas auch unter Drogeneinfluss stehen?
Und schließlich wären da noch die mit den Jachten im Mittelmeer Karussell fahrenden Orcas. Ob der Jachtdurchquerung ihrer Wohnviertel ziemlich wütend auf die Gecken in weißen Leinenhosen und Slippern, zerstören die Tiere die Rudervorrichtung der Schiffe und werden deshalb vor allem innerhalb der Linken heiß diskutiert. Während die einen die Orcas für die von Marx geschickte Avantgarde der Arbeiterklasse halten, sind sie für die anderen auch nicht besser als die Jachtbesitzer: bloß unsympathische Schnösel.
Ob die Orcas ebenfalls unter Drogeneinfluss stehen, ist bisher nicht erforscht. Ob es nach der (nicht mehr schleichenden ) Auflösung der Partei Die Linke zu einer Neugründung kommt, ist auch noch nicht klar. Dass sich diese Partei aber entweder Die Orcas, Die Fruchtfliegen oder Highe Haie nennen könnte, ist nicht ausgeschlossen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!