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Neuer Krieg in ÄthiopienEin Präsident auf Abwegen

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed, der Äthiopien seit 2018 als Reformer regiert, will die Regionalarmeen entmachten. Das führt zu blutigen Konflikten.

Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed (2. von links) mit Soldaten 2021 Foto: Ethiopian Prime Minister's Office/picture alliance

thiopien findet nicht zum Frieden. Noch hat sich das zweitgrößte Land Afrikas nicht vom mörderischen Krieg von 2020 bis 2022 um die Kontrolle der Region Tigray erholt, der mit schätzungsweise 600.000 Toten der weltweit blutigste Krieg in den vergangenen Jahren war.

Da beginnt ein ähnlicher Konflikt in Amhara, dem historischen zentraläthiopischen Kernland. Aufständische Milizionäre haben mehrere Städte unter ihre Kontrolle gebracht, die Regierung hat das Kriegsrecht verhängt und betreibt die gewaltsame Rückeroberung. Der Ausgang ist offen.

Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed, der Äthiopien seit 2018 als Reformer regiert, wird erneut zum Kriegsherrn. Grundsätzlich ist sein Argument ja richtig, dass die Einheit der äthiopischen Nation untergraben wird, wenn jede Region ihre eigene Armee unterhält.

Aber der Vielvölkerstaat Äthiopien ist eine Bundesrepublik, deren Bestandteile weitgehend eigenständig das Leben der 120 Millionen Menschen in Äthiopien organisieren können. Diese föderale Struktur kann man nicht einfach per Proklamation überwinden.

Und nachdem Abiy ab 2020 die rebellierende Tigray-Armee nur mithilfe der damals loyalen Amhara-Armee niederkämpfen konnte, kann er sich kaum wundern, dass die Amhara-Armee und ihre Milizen sich heute nicht auflösen lassen wollen. Das Spiel, den Aufstand einer Region mit der Hilfe anderer Regionen zu bekämpfen, kann sich noch ewig fortsetzen, quer durch das ganze bitterarme Land.

Äthiopien bündelt wie ein Brennglas die enormen Herausforderungen, vor denen ganz Afrika steht – vom Bildungsmangel über Wasserknappheit bis hin zu den autoritären Regierungen.

Als Äthiopiens Regierung und die Tigray-Rebellen im November 2022 Frieden schlossen, wandte sich die Weltgemeinschaft beruhigt ab. Dieser Krieg schien gelöst, Abiy Ahmed wurde wieder hoffähig. Aber es hat nur ein Dreivierteljahr gedauert, bis sich das Fehlen einer Perspektive für das Land erneut in Gewalt ausdrückt. Es darf nicht wieder zwei Jahre Krieg und mehrere hunderttausend Tote geben.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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2 Kommentare

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  • Dominic Johnsons Bezeichnung „Amhara-Armee“ ist irreführend. Die Fano, die auf der Seite von Abiy Ahmed gegen Tigray und die dort regierende TPLF gekämpft hat, ist keine Armee sondern eine ethnische Miliz, die schon lange ziemlich brutal war und jetzt völlig ausser Kontrolle zu sein scheint. Viele Amharas hängen einem überkommenen Verständnis von Amhara als Äthiopiens historisches Staatsvolk an. Fano ist eine besonders revanchistische Miliz, aber bei weitem nicht die einzige in Äthiopien. Es gibt auch solche unter Oromos, äthiopischen Somalis und anderen Volksgruppen. Die historischen Wurzeln der meisten von Ähiopiens kriegerischen Konflikten liegen im rigiden „ethnischen Föderalismus“, den die TPLF nach dem Sieg von 1991 über die Militärdiktatur des Derg (Mengistu Hailemariam) durchgesetzt und anschließend zur Etablierung der Tigray-Vorherrschaft in ganz Äthiopien genutzt hat. Kompliziert? Ja, aber ein Land mit über 80 ethnischen Gruppen und einer sehr langen, extrem autoritäts- und gewaltgeprägten Geschichte ist nicht ganz einfach zu verstehen. Noch schwerer zu befrieden. Abiy Ahmed scheint eine neue Art Zentralismus anzustreben. Das kann nicht friedlich gehen. Die aktuellen Konflikte (nicht nur in der Amhara Region) sind durch die Schaffung ethnisch abgegrenzter Bundesländer („National People‘s Regions“!) entstanden und durch deren jeweils eigene, parastaatliche Milizen verschärft worden. Die werden sich keinem neuen zentralistischen Herrscher unterordnen. Mein Vorschlag wäre, es mit einer dezentralen Regierungsform zu versuchen, deren Verwaltungseinheiten nicht nach ethnischer Exklusivität gebildet werden. Sondern nach geografischer, verwaltungstechnischer und entwicklungspolitischer Eignung. Aber darüber wollen in Äthiopien nur Wenige nachdenken.,

  • Kleiner Fehler in der Bildunterschrift zu „Äthiopien: Ein Präsident auf Abwegen“: Abiy Ahmed ist der 2. von links, nicht der 3. ;-(