Kinotipp der Woche: Am liebsten Pampa
Die Summer Edition der British Shorts zeigt eine Vielfalt an Kurzfilmen. Von der Bucket List für eine Tote bis zur Hirten-Doku ist alles dabei.
Klassische Vampire brauchen bekanntlich Blut als Lebenselixier, Tina dagegen Orgasmen von Männern. Man sieht, was passiert, wenn sie aus welchen Gründen auch immer keinen geordneten Beischlaf organisiert bekommt: Ihre Haut wird faltiger, ein rasanter Alterungsprozess setzt ein, jegliche Energie scheint langsam ihren Körper zu verlassen. Klingt nach einer fleischgewordenen Männerphantasie, diese Tina. Doch der nächste Typ, der sich mit ihr einlässt, stellt dann schnell fest: Diese Frau ist eher ein Albtraum.
„A Little Death“ heißt der humorige Kurzfilm von Maria Pawlikowska, der der gut abgehangenen Graf-Dracula-Thematik einen neuen Spin gibt und der bei der diesjährigen Sommerausgabe des Kurzfilmfestivals British Shorts läuft, das von 4. bis zum 6. August in den Freiluftkinos Friedrichshain und Insel sowie im Sputnik stattfindet.
Die Vielfalt an Kurzfilmen, die hier gezeigt werden, ist enorm. Experimentelle Animationsfilme, queere Shorties, eine Hommage an den britischen Kultregisseur und Aids-Aktivisten Derek Jarman, alles ist hier mit dabei. Eines der Highlights ist sicherlich der oscarprämierte nordirische Film „An Irish Goodbye“ von Tom Berkeley und Ross White. In dem Kurzfilm führt der Tod der Mutter zwei Brüder nach langer Zeit wieder auf dem elterlichen Bauernhof zusammen. Dabei taucht eine Liste auf mit 100 Dingen, die die Mutter gerne noch in ihrem Leben unternommen hätte.
Gut, nun befindet sie sich eingeäschert in einer Urne, aber die Brüder kommen überein, dass es sich auch postum gehört, ein paar Träume der Mutter wahr werden zu lassen. Einmal gemeinsam einen kiffen, das kriegen sie noch einigermaßen leicht hin. Schwieriger ist da schon, den hinterlassenen Wunsch zu erfüllen, in Richtung Weltall zu entschweben. Aber auch für diese Aufgabe wird eine Lösung gefunden. Mit einer Länge von etwas über zwanzig Minuten haut der Film eine witzige Pointe nach der anderen heraus, bekommt überraschende Plotwendungen hin und vermag es außerdem hervorragend, knorrige Nordiren zu zeichnen und auch mal zu überzeichnen.
Zufrieden in Wales
Der Achtsamkeitspreis des Filmfestivals, falls der verliehen würde, und überhaupt alle nur erdenkbaren weiteren Preise aber gebührt hundertprozentig der Kurzdoku „Heart Valley“ von Christian Cargill. Wer sich schon immer mal dachte, dass es langsam mal reicht mit dem stressigen Leben in der Großstadt und wie schön dagegen sicherlich ein Dasein als Schafhirte in der Pampa von Wales wäre: Nach diesem Film könnte klar sein, dass das eigentlich eine ziemlich gute Idee ist. Denn einen ausgeglicheneren, entspannteren und zufriedeneren Mann als den walisischen Schafhirten Wilf Davies, der hier porträtiert wird, kann man kaum finden.
British Shorts Summer Edition 2023, 4.–6. August, Freiluftkino Friedrichshain, Freiluftkino Insel, Sputnik Kino
Sieben Tage in der Woche muss er arbeiten, erzählt er. Aber eigentlich sei das gar keine Arbeit mit den Schafen, sondern so etwas wie ein ewiger Urlaub. Die Berufung im Beruf, die sich alle immer wünschen, er hat sie ganz offensichtlich gefunden. In seinem Leben gibt es nur die Natur und die Schafe, aber das reicht. Mittags gibt es jeden Tag ein paar Sandwiches und abends immer dasselbe: Angebratene Zwiebeln, Bohnen aus der Dose und Fisch. Wer weiß, ob das selbst angesichts der bedenklich niedrigen Standards der britischen Küche überhaupt wirklich ein Gericht ist. Aber es ist nunmal die Leibspeise von Wilf Davies und die gönnt er sich eben täglich.
Dann geht die Sonne unter in seinem Tal, er blickt noch einmal zu seinen Schafen und vermittelt einem den sicheren Eindruck, dass es keinen glücklicheren Menschen als ihn geben kann.
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