Katastrophe in Frankreichs Weingebieten: Der Falsche Mehltau wütet

Das Bordelais stöhnt unter tropischen Wetterverhältnissen und einem nie da gewesenen Pilzbefall in den Weinbergen. Viele Win­ze­r:in­nen geben auf.

Vertrocknete Weintrauben

Falscher Mehltau lässt die Trauben schrumpfen und vertrocknen Foto: Rüdiger Rebmann

BERLIN taz | Die Weinberge in der Region von Bordeaux, dem bekanntesten und größten Weinanbaugebiet der Welt, werden von einer Epidemie des Falschen Mehltaus in nie da gewesener Heftigkeit heimgesucht. Nach Zahlen der Landwirtschaftskammer der Gironde sind gegenwärtig 90 Prozent aller Weinstöcke des Bordelais befallen. Die Region hat Notruftelefone eingesetzt und den betroffenen Winzern psychologische Hilfen angeboten. Teilweise überfliegen Drohnen die Weinberge, um das Ausmaß der Katastrophe zu dokumentieren. Viele Betriebe haben alles verloren, sie werden in diesem Jahr keine Trauben ernten können, andere müssen mit massiven Ertragseinbußen rechnen. Neben dem Bordelais sollen in Teilen auch andere Anbaugebiete wie Bergerac, das Jura sowie die Weinregionen Irouleguy, Provence und Languedoc betroffen sein.

Die tropisch-feuchten Wetterverhältnisse in Südfrankreich sind neben den riesigen Wein-Monokulturen die Ursache für den Pilzbefall. Der Falsche Mehltau, wissenschaftlich als Peronospora bezeichnet, ist eine gefürchtete Pflanzenkrankheit, die in den vergangenen Jahren wegen des veränderten Klimas stark zugenommen hat. In Deutschland hatten die Weinberge in den Jahren 2016 und 2021 massiven Befall, einige Betriebe meldeten Verluste von bis zu 50 Prozent. In diesem Jahr sind die deutschen Anbaugebiete in Sachen Mehltau bisher mit einem blauen Auge davongekommen, sagt Ernst Büscher vom deutschen Weinbau-Institut. Der Trockenstress durch fehlende Niederschläge sei aktuell das weitaus gravierendere Problem.

Pilze lieben es feuchtwarm, und diese Witterungsverhältnisse herrschen schon seit Monaten im 110.000 Hektar großen Anbaugebiet des Bordelais. Morgens, so berichten betroffene Winzer, liege Tau auf den Blättern, dazu sei es häufig gewittrig mit starken Niederschlägen bei gleichzeitig hohen Temperaturen. Die Regenfälle Ende Juni hätten den ohnehin vorhandenen Mehltau noch einmal schlagartig geboostet, sagt Laurent Bernos, Direktor der Landwirtschaftskammer Gironde, jetzt habe er „stratosphärische Ausmaße“ angenommen.

Offenbar waren zunächst die Merlot-Rebstöcke befallen, inzwischen hat sich die Krankheit aber auch unter der etwas robusteren Rebsorte des Cabernet-Sauvignon ausgebreitet. Die Pilzkrankheit greift das Laub an. Es wird fleckig, an der Blattunterseite breitet sich ein Pilzrasen aus. Auch die Trauben werden attackiert, ein großer Teil der Beeren vertrocknet und schrumpft rosinenartig zu braun-harten Gebilden zusammen. Befallene Trauben können nicht geerntet werden, wenn Anfang September die Lese beginnt.

Mit Kupfer und synthetischen Fungiziden gegen Pilze

Zur Bekämpfung des Pilzbefalls werden in den Berichten der Landwirtschaftskammer und der französischen Onlinemedien kaum Angaben gemacht. Aber klar ist, dass die Winzer nicht kampflos kapitulieren werden. Schon Ende April hatte sich die Zahl der Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln gegenüber dem gleichen Zeitpunkt des Vorjahrs verdoppelt. Der Falsche Mehltau wird mit Antipilzmitteln bekämpft, das sind neben traditionellen Kupferverbindungen, die auch im Bio-Anbau erlaubt sind, vor allem synthetisch hergestellte Pestizide mit fungizider Wirkung.

Wegen des intensiven Pestizideinsatzes in der Region ist das Bordelais in der Vergangenheit schon mehrfach in die Kritik geraten. Im November 2020 waren die beiden Weingüter Castel la Rose und Château de Barbe wegen unsachgemäßen Pestizideinsatzes zu Geldstrafen verurteilt worden. Auf einem Schulhof in der Nähe ihrer Weinberge hatten sich Schüler beim Gesangsunterricht im Freien übergeben müssen, sie bekamen Hautausschläge und beklagten Übelkeit.

Die französische Bürgerinitiative „Giftalarm“, angeführt von der Winzertochter Valerie Murat, hat wiederholt Rückstandsmessungen bei Bordeaux-Weinen veranlasst und dabei 28 verschiedene Substanzen gefunden mit teils krebserregenden, teils hormonellen oder erbgutverändernden Wirkungen. Die Winzer des Bordelais seien „süchtig nach Pestiziden“ hatte sie in einer aggressiven Presseerklärung geschrieben und war daraufhin im Februar 2021 wegen Verleumdung und übler Nachrede zu einer Geldstrafe von 125.000 Euro verurteilt worden. Die Berufungsverhandlung steht noch aus.

Die aktuelle Mehltau-Epidemie verschärft die ohnehin bestehende wirtschaftliche Krise der Bordeaux-Winzer. Neben den gehypten Top-Weingütern, die nach wie vor astronomische Preise für ihre Gewächse von 1.000 Euro und mehr je Flasche erzielen, gibt es Heerscharen von kleinen Winzern in den Randgebieten, denen es zunehmend schlecht geht. Eine Umfrage der Landwirtschaftskammer Gironde offenbarte, dass 1.320 Weinbaubetriebe nach Selbstauskunft in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken. Jeder dritte von ihnen will aufgeben.

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