Interview über Protestkunst in Belarus: Katzen für die Freiheit
Ihre Kunst richtet sich gegen das Regime in Minsk. Olga Yakubouskaya kämpft mit ihren Illustrationen für Freiheit und Menschenrechte in Belarus.
Frau Yakubouskaya, Sie sind im Exil in Lettland zu einer Vertreterin der Protestkunst gegen die Diktatur in Belarus geworden. Sie malen Katzen als friedlich protestierende Belarus:innen und Wölfe als bewaffnete Kräfte des Machhabers Alexander Lukaschenko. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen und warum gerade diese beiden Figuren?
Jahrgang 1969, ist eine belarussische Malerin und Illustratorin. Sie wurde in Russland geboren und studierte Kunst und Kultur in Kungur (Russland) und Minsk (Belarus). Nach der russischen Invasion in der Ukraine 2022 floh sie nach Lettland. Die Illustrationen aus ihrer Serie „Katzen für die Freiheit“ wurden in Riga, Brüssel und Warschau ausgestellt. Im Herbst 2023 holt die taz Panter Stiftung die Ausstellung nach Berlin.
Als im August 2020 die Wahlen in Belarus gefälscht wurden und Hunderttausende Menschen in ihren Städten auf die Straße gingen, begann ein regelrechter Terror gegen die Zivilbevölkerung, der bis heute nicht aufgehört hat. Die Sicherheitskräfte liefen Amok: Es gibt Berichte über geschlagene und verschwundene Menschen und über den Horror, den Menschen in den Gefängnissen erdulden mussten.
Nina Baginskaya, die heute 76 Jahre alt ist und seit mehr als dreißig Jahren gegen Lukaschenkos Regime kämpft, ging damals mit der weiß-rot-weißen oppositionellen Flagge auf die Barrikaden. Die Bilder ihres Protestes gingen um die Welt. Sie ist körperlich sehr klein vor dem Hintergrund der riesigen Sicherheitskräfte, und sie hat keine Angst vor ihnen. Ich zeichnete also ein weißes, sanftes, fröhliches Kätzchen, hinter dem graue, wütende Wölfe mit raushängenden Zungen stehen.
„Katzen für die Freiheit“ haben Sie die Reihe Ihrer Illustrationen genannt. Bis jetzt sind etwa 200 Zeichnungen entstanden, auf denen Sie politische Gefangene, oppositionelle Politiker:innen, kritische Journalist:innen und Aktivist:innen als Katzen darstellen. Erreichen Ihre Zeichnungen auch diese Menschen in Belarus?
Heute werden die Schrauben in meinem Land immer fester angezogen. Menschen, die in Belarus geblieben sind, werden jeden Tag großen Gefahren ausgesetzt: Sie werden entführt und ins Gefängnis gesteckt. Es ist ein repressives Fließband. Einige haben ihre Strafe bereits verbüßt, werden erneut festgenommen und wieder eingesperrt. Deshalb auch sind viele meiner Arbeiten aus dieser Serie den politischen Gefangenen gewidmet, die jetzt in Belarus inhaftiert sind. Stellvertretend für viele andere nenne ich Maria Kolesnikova, Viktor Babariko, Pavel Seviarynets, Siarhei Tikhanovsky, Mikalai Statkevich und Ales Bialiatski.
2020 schickten Belarus:innen meine Zeichnungen als Postkarten an politische Gefangene. Damals erreichten sie ihre Adressaten noch. Jetzt ist der Repressionsapparat in vollem Gang und Briefe an Gefangene werden sehr häufig verweigert.
Sie leben im Exil in Lettland. Wie kann Ihre Kunst die Zivilgesellschaft in Ihrem Heimatland stärken?
In diesem Moment fühle ich mich wie eine Reporterin, die darüber berichtet, was in Belarus passiert. Früher habe ich Kinderbücher illustriert, aber jetzt illustriere ich das Buch unseres Lebens in Kriegs- und Repressionszeiten.
Freiheit ist für mich kein leeres Wort. Viele Belarus:innen, wie ich, sind gezwungen unsere Heimat zu verlassen. Ich wünsche mir sehr, dass Belarus frei wird, damit wir zurückkehren können. Ich wünsche mir, dass dieser schreckliche Krieg zu Ende geht, dass die Ukraine den Aggressor besiegt und diesen Krieg gewinnt. Wenn meine Arbeit die Menschen in diesen schwierigen Zeiten motivieren kann, ihren Kampf weiterzuführen, dann werde ich meine Freiheitskatzen weiter und weiter zeichnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels