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Spanien übernimmt Vorsitz des EU-RatsSánchez hofft, dann noch da zu sein

Ab Samstag hat Spanien die EU-Ratspräsidentschaft inne. Nach der vorgezogenen Parlamentswahl im Juli könnten EU-Skeptiker den Ton angeben.

Spaniens Ministerpräsident tritt am Samstag die EU-Ratspräsidentschaft an Foto: Alejandro Martínez Vélez/dpa

Madrid taz | Am 23. Juli, nur drei Wochen nach Beginn der EU-Ratspräsidentschaft, wird Spanien wählen. Pedro Sánchez selbst hat es so entschieden. Nach einem verheerenden Ergebnis bei den Kommunal- und Regionalwahlen am vergangenen 28. Mai zog er die Parlamentswahlen, die eigentlich Ende Herbst fällig geworden wären, vor.

Das hat unmittelbare Auswirkungen für den EU-Vorsitz, den am Samstag Madrid übernimmt. Anders als geplant wird Sánchez die Prioritäten seiner EU-Amtszeit vor dem EU-Parlament nicht im Juli, sondern erst im September vorstellen – falls er dann noch im Amt ist. Wenn nicht, wird diese Aufgabe dem Chef der rechten Partido Popular (PP), Alberto Nuñez Feijóo, zufallen. Dieser hofft auf eine Mehrheit in Koalition mit der rechtsextremen VOX.

Das Programm der EU-Präsidentschaft könnte sich so radikal ändern. Denn Sánchez hat den Klimawandel und den dadurch notwendigen ökologischen Umbau der EU und – ganz im ursprünglich sozialdemokratischen Stil – die Sozial- und Steuerpolitik auf seiner Prioritätenliste.

Feijóo leugnet den ersten Punkt und will nichts vom zweiten wissen. Klimapolitik sowie soziale Maßnahmen zuungunsten der Steuergeschenke an die Oberschicht ist mit den Rechten und Ultrarechten nicht zu haben.

Energie- und Gesundheitspolitik stehen im Mittelpunkt

Mitte Juni hielt Sánchez einen langen Vortrag zu seinen EU-Plänen vor den Botschaftern der 27 in Madrid. Er wolle „ein freundliches und sicheres Europa“, eine Weltregion, welche die Wirtschaft der Zukunft anführt. Dazu sei es notwendig, Erfindergeist zu stärken und Zukunftstechnologien etwa im Bereich der Energiegewinnung zu fördern. Die EU müsse im Rahmen der „Reindustrialisierung Europas“ Investoren anziehen, so der Spanier.

Nichts hat den Sozialdemokraten in seinen fünf Jahren an der Spitze so geprägt wie die Corona­krise. Als die Covid-19-Pandemie Spanien so stark erwischte, musste Sánchez bei den wenigen EU-Ländern, die etwa Beatmungsgeräte herstellen, regelrecht betteln, und zu völlig überhöhte Preisen in China Gerätschaften und Masken einkaufen. Seiner Regierung schwebt seither ein Europa vor, das für sich selbst sorgen kann.

„Die geopolitischen Veränderungen und deren Herausforderungen stellen eine Chance dar, verlorene Industrien zurückzuholen und neue aufzubauen“, erklärte Sánchez im Bezug auf den Ukrainekrieg. Neben dem Gesundheitssektor hat er auch die Unabhängigkeit von Energielieferungen durch Dritte dank erneuerbarer Energien im Sinn. Das verlangt zwar Investitionen, allerdings würden die 27 bis Ende des Jahrzehnts 133 Milliarden Euro an Importen fossiler Brennstoffe einsparen und eine Million Arbeitsplätze schaffen.

Sánchez will die EU weiter einen – sowohl außenpolitisch als auch bei der Sozial- und Steuerpolitik

Sánchez will die EU weiter ve­reinen – zum einen außenpolitisch bei der Unterstützung der Ukraine und zum anderen bei der Sozial- und Steuerpolitik. Er will einen gerechteren Arbeitsmarkt mit EU-Richtlinien – „eine Reform der Steuerregelungen, die Schluss mit der Politik des Todsparens macht“. Er spricht von Steuerflucht der Multinationalen, „die Europa jedes Jahr 1,5 Prozentpunkte des BIP kostet, das, was in öffentlichen Wohnungsbau und Umweltschutz investiert wird“.

„Europa war unser Tor zum Modernen und es wird unser Weg zu einer besseren Zukunft sein“, erklärte Sánchez in der anschließenden Pressekonferenz beim Termin mit den Botschaftern in Madrid. Ein Seitenhieb zur politischen Lage zu Hause und den bevorstehenden Wahlen. „Europa ist stärker als die antieuropäischen Parteien“ – Sánchezs Hoffnung, auch für Spanien.

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