Klage gegen Ausreiseverbot: Staatsgefahr Antifaschismus

Der VVN-BdA-Vorsitzender klagt gegen ein Ausreiseverbot. Er wurde daran gehindert, gegen einen Nazi-Aufmarsch in Sofia zu protestieren.

EIne Fahne der VVN-BdA

Fahne der VVN-BdA Foto: dpa

BERLIN taz | Im bulgarischen Sofia marschieren jährlich Neonazis aus ganz Europa auf, um Hristo Lukov, Faschist und Kriegsminister im Zweiten Weltkrieg, zu gedenken. Die Bundespolizei zog im Februar dieses Jahres einen Mann am Berliner Flughafen raus, um ihn an der Ausreise nach Bulgarien zu hindern. Mit der Begründung, er würde dem „Ansehen der Bundesrepublik im Ausland“ schaden. Sicher ein Rechtsextremer, denkt man. Doch der Mann, dem der Personalausweis entzogen und dem ein sechstägiges Ausreiseverbot auferlegt wurde, ist Florian Gutsche, Vorsitzender der VVN-BdA, der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.

Dagegen hat die Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V. (GFF) gemeinsam mit der VVN-BdA am Mittwoch Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin erhoben. Ihrer Ansicht nach war das Ausreiseverbot rechtswidrig. Gutsche sagt: „Das ist mir schleierhaft, das ist mir das erste Mal passiert.“ Es gab zwar in der Vergangenheit Ermittlungsverfahren gegen ihn, jedoch endeten diese mit Freisprüchen oder Einstellungen.

Es geht allerdings um mehr als die möglicherweise verletzten Rechte einer Einzelperson. Mit der Klage erhofft man sich eine „Grundsatzentscheidung, damit sich Ausreiseverbote nicht auf vage Verdachtsmomente stützen können“, so David Werdermann, Rechtsanwalt und Projektkoordinator bei der GFF.

Das Problem sei die Rechtsgrundlage: Das Passgesetz ist sehr unbestimmt, die Behörden können schon bei Anhaltspunkten ein Ausreiseverbot erlassen. Die Anhaltspunkte im Fall Gutsche waren Flyer, Fahnen und schwarze Kleidung im Gepäck. Ein Unbewaffneter, der gegen einen Neonazi-Aufmarsch demonstrieren wollte. Für die Bundespolizei offensichtlich ausreichend, um von einer möglichen Schädigung des „Ansehens der Bundesrepublik“ auszugehen.

Vager Rechtsbegriff

Dieser Begriff ist Werdermann für einen Eingriff in das Versammlungsrecht zu vage, er geht sogar noch weiter. „Das Passgesetz ist dafür nicht geeignet.“ Damit machen es sich die Behörden einfach und es mag auch ein Grund sein, warum in den vergangenen Jahren immer mehr deutschen Staatsangehörigen die Ausreise verweigert wurde.

131 Menschen waren es insgesamt seit 2018, zeigt eine kleine Anfrage von Abgeordneten der Linken aus dem Jahr 2022 – Tendenz steigend. 2018 waren es noch drei Personen, vergangenes Jahr wurden bereits 66 Menschen an der Ausreise gehindert.

Bis ein Urteil erfolgt, wird etwa ein Jahr vergehen. Gutsche hofft, dass es wegweisend wird: „Das sind verbriefte Grundrechte, die sollten wir uns nicht wegnehmen lassen.“

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