Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn: Ferien ohne Streik-Zugausfälle
Die Eisenbahngewerkschaft EVG nimmt das Angebot des Bahnkonzerns an, in ein Schlichtungsverfahren zu gehen. Aber die Urabstimmung soll weiter laufen.
„Wir haben nach dem Scheitern der Verhandlungen erklärt, uns gegen ein solches Verfahren nicht zu verwehren – jetzt halten wir Wort“, sagte Verhandlungsführer Kristian Loroch nach der Sitzung des EVG-Bundesvorstands. „Dabei haben wir insbesondere die Reisenden im Blick, die wir in der Urlaubszeit nicht wirklich bestreiken wollen.“ Denn das würde „die völlig Falschen treffen“. Dass die Gewerkschaft jetzt erst einmal nicht zum Streik aufrufe, sondern zu einer Schlichtung bereit sei, zeige zudem, „dass wir im Interesse unserer Mitglieder, die dringend mehr Geld benötigen, einen baldigen Abschluss anstreben – allerdings nicht um jeden Preis“.
Am Mittwoch vergangener Woche hatte die EVG die seit Ende Februar laufenden Tarifgespräche für gescheitert erklärt. Einen Tag später beschloss der Gewerkschaftsvorstand, in die Vorbereitung für die Urabstimmung unter den rund 110.000 bei der Bahn beschäftigten EVG-Mitgliedern zu gehen. Daran soll auch weiter festgehalten werden.
„Klar ist: Der Bundesvorstand steht zu seiner Entscheidung, eine Urabstimmung durchzuführen“, sagte EVG-Tarifvorstand Cosima Ingenschay. Rund einen Monat dauert das Prozedere. Den stimmberechtigten EVG-Mitgliedern solle die Möglichkeit gegeben werden, über das Ergebnis der Schlichtung abzustimmen. „Überzeugt das Ergebnis nicht, werden unbefristete Streiks die Folge sein“, gab sich Ingenschay kämpferisch.
Schlichtung kann „so schnell wie möglich beginnen“
Zuletzt hatte der Bahnvorstand eine Lohnerhöhung von jeweils 200 Euro brutto im Dezember 2023 und im August 2024 angeboten, plus eine Inflationsausgleichsprämie von 2.850 Euro. Die Laufzeit des Tarifvertrags sollte 27 Monate betragen. Die EVG begründete ihre Ablehnung damit, dass angesichts der sehr langen Laufzeit, auf der der Bahnvorstand bestand, die vorgeschlagenen Gehaltssteigerungen viel zu niedrig seien und zu spät kämen.
Die Gewerkschaft war mit der Forderung nach einer rückwirkend ab März dieses Jahres geltenden Lohnerhöhung um 650 Euro brutto oder 12 Prozent für die oberen Lohngruppen in die Verhandlungen gegangen. Nach ihrer Vorstellung sollte die Laufzeit des Tarifvertrags 12 Monate betragen.
In den Verhandlungen mit Konkurrenzunternehmen der Bahn stimmte die EVG jedoch bereits angebotenen Lohnerhöhungen von 420 Euro monatlich in zwei Stufen sowie Inflationsausgleichprämien zwischen 1.000 und 1.400 Euro zu. Die Laufzeit der jeweiligen Tarifverträge beträgt 21 Monate. Die Vereinbarungen sind zwar besser als das Angebot der Deutschen Bahn, von diesem allerdings auch nicht Lichtjahre entfernt. Nun dürften sie als Blaupause für eine mögliche Einigung dienen.
Die Initiative für das Schlichtungsverfahren ging vom Bahnvorstand aus. Nachdem er zunächst nur mit Empörung und einseitigen Schuldzuweisungen auf den Abbruch der Verhandlungen reagiert hatte, schlug er am Mittwoch vor, in die Schlichtung zu gehen. „Eine Lösung am Tisch ist im Sinne der Mitarbeitenden und der Fahrgäste“, begründete der Bahnvorstand seinen Vorstoß. Die EVG wurde um eine Rückmeldung bis Freitagmittag gebeten.
„Wir sind bereit, mit den Vorbereitungen einer Schlichtung so schnell wie möglich zu beginnen“, sagte EVG-Mann Loroch. Sollte das Ergebnis jedoch letztlich nicht überzeugen, drohe „ein heißer Herbst mit massiven Auswirkungen bei Eisenbahn und Bus im Bereich der Deutschen Bahn“.
Anders als beispielsweise zuletzt bei den Tarifverhandlungen für den Öffentlichen Dienst gibt es bei der Deutschen Bahn kein festgeschriebenes Verfahren zur Schlichtung. Die EVG hätte das Bahnbegehren also auch ablehnen können. Während der Schlichtung herrscht üblicherweise Friedenspflicht, Streiks oder sonstige Arbeitskampfmaßnahmen dürfte es also währenddessen nicht geben.
Entsprechend erleichtert zeigte sich der Bahnvorstand. „Wir begrüßen die Entscheidung der EVG, in ein Schlichtungsverfahren einzusteigen, um den Tarifkonflikt beizulegen“, teilte der Konzern am Donnerstag mit. „Wir werden nun Ablauf und Prozess besprechen.“
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