Fête de la Musique in Berlin: Die Nacht der genialen Dilettanten

Zu keiner Stadt der Welt passt das Straßenfest zu Sommersonnenwende besser als zu Berlin. Die Fête leitet auch den zweiten Berliner Kultursommer ein

Musik auf Augenhöhe: Bei der Fête de la Musique 2017 Foto: dpa

BERLIN taz | Es ist wieder so weit: Heute ist Sommersonnenwende, die Sonne geht erst um 21.33 Uhr unter und schon um 4.43 Uhr wieder auf. Das heißt: Wir haben mit wenig mehr als 7 Stunden die kürzeste Nacht des Jahres, die von manchen als Sommerbeginn gefeiert, von anderen als Anfang vom Ende betrauert wird, denn immerhin wird es jetzt wieder dunkler, der Winter steht quasi vor der Tür.

So oder so kann diese hellste Nacht in Berlin aber wohl am schönsten auf der Fête de la Musique erlebt werden, die nach zwei pandemiebedingt digitalen Jahren zum ersten Mal 2022 wieder analog statt finden konnte und in diesem Jahr auch wieder ohne größere Ansteckungsgefahr. „Mit über 1.000 Mu­si­ke­r*in­nen und 600 Konzerten auf 200 Bühnen werden wir auf jeden Fall eine neue Rekordmarke erreichen“, so ein Pressesprecher gegenüber der taz. „Aber eigentlich geht es uns gar nicht darum, immer größer, höher und weiter zu kommen. Eigentlich wollen wir zurück zu den Wurzeln der Fête.“

Und wo liegen diese Wurzeln? Zum einen kehrt die Fête in den Bezirk zurück, in dem sie immer am heftigsten gefeiert wurde: Mit einem Schwerpunkt in Friedrichshain-Kreuzberg. Zum anderen wurde die Fête 1982 in Paris als Gegenmodell zur durchkommerzialisierten Musikindustrie gegründet. Die Idee dahinter war und ist, dass je­de*r eine Nacht lang noch den schrulligsten Bands und Mu­si­ke­r*in­nen auf Augenhöhe begegnen darf, auf öffentlichen Plätzen und Bürgersteigen, in Parks und Höfen, vor Cafés und Kiosken, gratis und niedrigschwellig, also ganz ohne Starkult, Merchandising, Row Zero, fette Eintrittsgelder und teure Getränke.

Fest der Stra­ßen­mu­si­ke­r*in­nen

21. Juni Die Fête de la Musique startet um 12 Uhr in der ganzen Stadt, vor allem aber in Friedrichshain-Kreuzberg. Highlights sind ab 15.15 Uhr das Kiezremmidemmi vorm Edeka Treugut in der Heidelberger Straße 90 in Treptow und ab 16 Uhr ein Marathon der Chöre im Heimathafen Neukölln, Karl-Marx-Straße 141. Mehr Infos unter www.fetedelamusique.de.

24. Juni Um 19.30 Uhr eröffnet überall in der Stadt das Kultursommerfestival. Highlights sind ein Konzert von Jocelyn B. Smith und Band (am Anleger der Reederei Riedel an der East Side Gallery, Mühlenstraße 73) und vom Moka Efti Orchestra (im Schlossgarten Schönhausen, Kastellanswiese, Tschaikowskistraße 1). Weitere Highlights sind am 7. Juli ab 17 Uhr das Pop-Up-Festival von Saigon Soul Revival, Another Nguyen und Nashi44 im Dong Xuan Center (Herzbergstraße 128–139) und am 26. Juni ab 21.30 Uhr vorm HAU die Performance „Un violador en tu camino” des feministischen Performance-Kollektivs Lastesis aus Chile. Das ganze Programm unter www.draussenstadt.berlin. (sm)

Inzwischen wird die Fête am 21. Juni weltweit in mehr als 500 Städten gefeiert. Doch zu keiner Stadt passt sie besser als zu Berlin, wo die Fête seit 1995 steigt, der Metropole der lässigen Stra­ßen­mu­si­ke­r*in­nen und der genialen Dilettant*innen, bei denen nicht zwingend jede Hookline sitzt und die im besten Fall nicht einmal die Absicht haben, etwas so Schnödes wie einen Plattenvertrag zu unterzeichnen.

Darum ist es auch wenig verwunderlich, dass die Fête inzwischen so etwas wie ein Startschuss geworden ist für einen großen Blumenstrauß von Berliner Kulturveranstaltungen, die über den ganzen Sommer umsonst und draußen zu genießen sind. 2021 machte Berlins ehemaliger Kultursenator Klaus Lederer (Linke) Gelder für das Berliner Pionierprojekt Draußenstadt klar, auf die sich bereits vor Monaten Kulturinitiativen und Bezirke zwecks kreativer Bespielung von Freiflächen und Brachen bewerben konnten. Außerdem startet unterm Dach von Draußenstadt ab dem Wochenende der zweite Kultursommer: 100 Veranstaltungen umsonst und draußen, bis in den September hinein.

Wer jetzt noch Kultur in geschlossenen Räumen erlebt, ist selbst schuld. Der Winter kommt. Und: Es könnte auch sein, dass dies der letzte Kultursommer ist. „Aber das können wir erst nach den Haushaltsverhandlungen sagen“, so Daniel Bartsch, Pressesprecher des neuen Kultursenators Joe Chialo (CDU).

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