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KI in Filmen und RomanenDie KI versteht dich besser

Was ist die Künstliche Intelligenz? Rationale Bedrohung? Oder Wunschmaschine? Filme und Romane verwischen die Grenzen zwischen Mensch und Programm.

Gesicht eines Roboters auf der London Design Biennale Foto: James Manning/picture alliance

Klara ist eine hilfsbereite Freundin. Selbstlos unterstützt sie die junge, schwerkranke Josie darin, ihren Alltag zu meistern. Als sie sieht, wie ein reglos daliegender Bettler sich plötzlich aufrafft, als ihn Sonnenstrahlen erreichen, schlägt sie der Sonne einen Pakt vor:

Diese solle Josie durch ihre Strahlen heilen, und sie zerstöre im Gegenzug einige Licht verdunkelnde, umweltschädliche Maschinen. Tatsächlich wird Josie immer gesünder und vergisst ihre Freundin mehr und mehr. Schließlich landet Klara auf einem Schrottplatz – eine KI, eine Künstliche Intelligenz, die nicht mehr gebraucht wird.

In Kazuo Ishiguros Roman „Klara und die Sonne“ ist Klara darauf programmiert, einem Kind als KF, „Künstliche Freundin“ zu dienen, sie verfügt über ein hohes Maß an Empa­thie und stellt Wohlbehagen und Entwicklung ihres Schützlings über alles. Nur eine schöne literarische und vor allem blauäugige Vision angesichts der Behauptung von Elon Musk, KI sei „potenziell gefährlicher als die Atombombe“?

Musks Warnung knüpft an das Bild der gefährlichen Maschinen und Künstlichen Menschen an, die Film und Literatur seit je bevölkern: Statt als dienstbare Geister zu agieren, entwickeln sie ein Bewusstsein, reißen die Macht an sich und unterjochen die Menschheit ­– ikonische Bilder lieferte etwa die „Matrix“-Reihe der Wachowski-Geschwister, in der durch computergenerierte Simulationen sedierte Menschen mit ihrer Körperwärme Strom für die diktatorischen Maschinen erzeugen.

Doch jenseits dieser dystopischen Visionen gibt es auch das Bild des guten und beseelten Androiden, der uns vielleicht näher ist, als wir es wahrhaben wollen. In „Blade Runner“ stellte Ridley Scott bereits Anfang der 80er Jahre die Frage, ob die Replikanten nicht eigentlich die humaneren Wesen seien. Schöner waren sie auf jeden Fall.

Andere Form von Denken

Natürlich verliebte sich der Replikantenjäger, der Blade Runner Deckard, in die künstliche Frau Rachel. Dass offenblieb, ob Deckard Mensch oder auch Replikant sei, formulierte eine anthropologische Denksportaufgabe, die im Zeichen neuer technologischer Entwicklungen aktuell noch an Brisanz gewonnen hat: Woran kann man Menschen und Androiden unterscheiden? Denkfähigkeit? Kreativität? Emotionalität? Oder ist es die Erinnerung, die die Fortsetzung „Blade Runner 2049“ ins Spiel brachte?

Rivalitäten, Machtkämpfe, Identitätsfragen und Gefühlsverwirrungen aller Art sind im fiktiven menschlich-nichtmenschlichen Verhältnis nichts Neues. Doch seitdem ChatGPT an den Start ging, hat sich der kollektive Gefühlshaushalt wuchtig in Richtung deep Angst entwickelt: Diese KI kam und weiß offenbar alles, wird sie uns also alsbald ersetzen?

Und bei genauerem Blick wissen wir nicht einmal, wie genau denn sie ihr Wissen generiert: Ranga Yogeshwar postulierte jüngst in einer Talkshow, dass die KI eine Blackbox sei, in deren Funktionieren man nicht hineinsehen könne, es handele sich um „eine andere Form von Denken“. Widerspruch kann prompt und scharf: nein, denken könnten nur Menschen.

Interessanterweise verdankt sich Klaras Plan falschen Schlussfolgerungen – Irren ist nicht nur menschlich. Als KI muss sie sich die Welt erschließen, indem sie Muster deutet. Da der Roman aus ihrer Sicht erzählt wird, nimmt die Leserschaft Teil an dieser Art der Weltdechiffrierung und lernt sie wie eine menschliche Figur kennen. Dem entspricht, dass sie im Roman zum Bestandteil der Familie wird, was zu einem diffusiven sozialen Status führt. Eine Nachbarin fragt: „Du bist doch ein Gast? Oder soll ich dich behandeln wie einen Staubsauger?“

Wie verliebt ist die KI?

Zunehmende Unklarheit herrscht auch im Film „Ich bin dein Mensch“ von Maria Schrader. Tom, ein gutaussehender, charmanter und mit britischem Humor ausge­statteter Android, soll von Alma auf seine Tauglichkeit als Lebenspartner getestet werden. Während Alma nur auf Druck ihres Chefs unwillig mitmacht, ist Tom darauf program­miert, sein Gegenüber glücklich zu machen – doch was ist Glück für den Menschen? Weiß dieser das selbst so genau? Wie in jeder Beziehungskomödie wird aus der anfänglichen Abneigung zu­nehmend Zuneigung, zumindest was Alma betrifft. Denn Tom ist, je nach Sichtweise, immer schon verliebt – oder war es nie.

Almas Gefühlsleben ist zwar widersprüchlich, aber bekannt, über Toms Gefühlshaushalt kann man nur spekulieren. Wir wissen, dass er Algorithmen folgt und sich im Kontakt mit Alma optimiert, um ihren Bedürfnissen zu ent­sprechen, was unter anderem bedeutet, ihr weniger gefallen zu wollen.

Doch zunehmend wird rätselhaft: Was genau sind denn Almas Bedürfnisse? Und warum wehrt sie sich dagegen, diese von einem Androiden erfüllt zu bekommen, wenn er nicht nur aussieht, sondern sich auch anfühlt wie ein Mensch – was sie betrunken in einer schönen Nacht mit Tom herausfindet.

Klara und Tom sind nicht nur keine Staub­sauger, sondern stehen für Algorithmen, die in den Ängsten vor der übermächtigen KI nicht aufgehen, ja ihnen entgegenstehen. Die Angstbilder basieren auf der Vorstellung einer überlegenen, sich fortwährend optimierenden Intelligenz, der das menschliche Hirn nichts entgegenzusetzen hat, doch Literatur und Film sind hier weiter.

Sie koppeln algorithmische Prozesse nicht an rationale und kognitive Vorgänge, sondern an unbewusste. Klara und Toms Bemühungen, ihre menschlichen Gegenüber zu „verstehen“, werden zu unserem eigenen Blick auf uns selbst: Warum nur sind wir nur so seltsam? Was wollen wir eigent­lich – was will unser „es“?

Zeige mir, was ich begehre

Diese Frage könnten Algorithmen vermutlich mittlerweile tatsächlich besser beantworten als wir, denn unser Inneres ist längst von Algorithmen durchzogen und beeinflusst – vor allem dort, wo es um die Wünsche und ihre Erfüllungen geht: Ein Drittel aller Kaufentscheidungen bei Amazon basiert beispielsweise auf den Empfehlungen, die eine KI ausgerechnet hat.

Zeige mir, was ich begehren soll, so lautet die Formel der Liebe, die Roland Barthes anhand von Goethes „Werther“ beschrieb, offenbar ein universaler Algorithmus des Begehrens. So besehen ist die KI weniger rationale Bedrohung als unser unbewusstes Pedant, unsere algorithmische Wunschmaschine – eine Black Box im Sinne von: KI ist ein Anderer.

Damit wäre die KI ein opaker Raum, eine riesige Datenwolke, die uns unablässig begleitet, präsent, aber unsichtbar und nicht bewusst. Gespeist und gefüllt wird dieser Raum nicht zuletzt durch den permanenten Blick in den black mirror der Smartphones – die technologische Spiegelphase einer neuen Subjektwerdung. Nicht mehr im Gegenüber eines menschlichen Blickes werden wir zu Ichs, sondern in einer kontinuierlichen medialen Reinszenierung stabilisieren und formen wir uns – und produzieren in der Nutzung von Apps riesige Datenmengen, die den KIs zur gefälligen Sortierung überlassen werden.

Besitze dein Unbewusstes

Die amerikanische Autorin Jennifer Egan sieht uns in ihrem Roman „Candy House“ im technologischen Knusperhäuschen gefangen. Die neueste Erfindung in diesem Near-Future-Roman ist die App „Own Your Unconscious“, mit der man die eigenen Erinnerungen in eine Cloud hochladen und – wenn man zustimmt, sie mit allen zu teilen ­– auch die aller anderen durchforsten kann.

„Besitze dein Unbewusstes“ ist ein sehr ironischer Name bzw. ein falsches Versprechen: Das Unbewusste ist nicht bewusst und kann deshalb auch kaum besessen werden. Teilt man diese Dimension der menschlichen Subjektivität allerdings mit allen, so ist dies nicht nur das Ende der Privatsphäre, es entsteht auch ein kollektives Unbewusstes, verwaltet und organisiert durch eine KI.

Ted Chiang hatte bereits 2013 in seiner Erzählung „The Truth of Fact, the Truth of Feeling“ ein Programm imaginiert, das Erinnerungen aufzeichnen und abrufen kann – allerdings verändert es langfristig das menschliche Gehirn und ersetzt form- und damit fehlbare Erinnerungen durch perfekte digitale Archive. Statt Ängste vor einer selbstlernenden KI zu haben, sollten wir uns vielleicht eher vor unserem digitalen Anderen fürchten: Own your uncouscious – before it owns you!

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