Das „Beste für Berlin“ in Grün

Die Berliner Grünen beschließen auf ihrem Parteitag einen umfassenden Klima-Leitantrag und üben ein wenig Selbstkritik

Von Claudius Prößer

So begeistert war die Versammlungsleitung von der Zustimmung für den Leitantrag auf dem grünen Landesparteitag um Samstag, dass sie glatt vergaßen, nach Enthaltungen zu fragen. Tatsächlich gingen auch ein paar Arme hoch, als das nachgeholt wurde. Dass das Ergebnis damit nicht mehr einstimmig, sondern nur noch „einmütig“ war, wie Versammlungsleiter Benedikt Lux betonte, tat der Sache aber keinen Abbruch. Die Partei steht klar hinter dem umfangreichen Forderungskatalog mit dem Titel „Das Beste für Berlin: Klimaschutz, der wirkt“.

Dieses „Beste für Berlin“ ist als ironisches Zitat des schwarz-roten Bündnisses zu lesen, das mittlerweile Berlin regiert, immerhin stehen genau diese Worte über dessen Koalitionsvertrag. Verständlicherweise sehen die Grünen das ganz anders, wie gleich zu Beginn der Versammlung Landeschefin Susanne Mertens betonte: Der CDU-SPD-Senat und seine „leeren Phrasen“ seien schon von der Realität eingeholt worden. Das Einzige, was das Duo Wegner-Giffey zu bieten habe, sei ein „Füllhorn an Versprechen“, es drohe aber gerade in Bezug auf die Klimapolitik ein Stillstand, den sich Berlin nicht leisten könne.

Mertens räumte ein, dass es den Grünen im Wahlkampf „nicht immer gelungen“ sei, die BerlinerInnen bei der „Mammutaufgabe“ Klimaschutz mitzunehmen. Die Partei müsse manchmal bescheidener sein und mehr zuhören: „Wir sind nicht die besseren HandwerkerInnen oder IT-SpezialistInnen.“ Ähnlich äußerten sich Grünen-Urgestein Renate Künast („müssen über Ängste reden, die zum Teil real sind“) und Daniel Wesener. Der Ex-Finanzsenator, dem zusammen mit Ex-Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch und Ex-Gesundheitssenatorin Ulrike Gote ausführlich gedankt wurde, sagte, „Maximalforderungen wiederholen“ sei nun in der Opposition leicht, führe aber schnell zu Enttäuschung. „Wer polarisiert, nimmt auch die Spaltung dieser Gesellschaft in Kauf.“

Landeschef Philmon Ghirmai warnte bei der Vorstellung des Klima-Leitantrags vor einer Verwässerung des bereits Erreichten durch die CDU, eine Partei, die das Auto zum „Götzen“ erhebe und deren Umweltsenatorin Manja Schreiner versuche, an der Solarpflicht zu sägen. Der sodann mit der erwähnten Einmütigkeit beschlossene Antrag dekliniert Klimaschutz auf allen gesellschaftlichen Ebenen durch – bis hin zu dem Appell, Rudern, Segeln und Stand-up-Paddling gegenüber motorisierten Wassersportarten zu priorisieren und zu fördern. Stärker als bisher liegt der Fokus auf der sozialen Abfederung: So wird eine Abschaffung der Modernisierungsumlage gefordert, man will aber auch Transferleistungs-EmpfängerInnen „unbürokratisch unterstützen, Förderung für Balkonkraftwerke zu erhalten“.

Streit um Letzte Generation

Stärker als bisher liegt der Fokus auf der sozialen Abfederung von geforderten Klimaschutz-Maßnahmen

Fast für Erschrecken bei einigen, für etliche Buhrufe, aber auch Beifall sorgte Yasemin Derviscemallioglu vom Kreisverband Mitte mit einer klaren Distanzierung von den Methoden der Letzten Generation: „Sich festzukleben ist passive Gewalt und Nötigung“, sagte sie in ihrem Redebeitrag. Nicht nur erzeuge das Unverständnis bei Menschen, „deren Arbeitgeber kein Verständnis dafür hat, wenn sie zu spät zur Arbeit kommen“. Akzeptiere man diese Aktionsformen, schaffe das womöglich auch ungewollt Legitimität in ganz anderen Zusammenhängen: „Wenn dann die Rechten mit demselben Selbstverständnis kommen – dann dürfen die das auch.“

Keinen Erfolg hatte schon im Vorfeld des Parteitags ein Änderungsantrag zum Leitantrag gehabt, der sich von den Protestformen der Letzten Generation distanzierte: „Wir sehen die Aktionen einiger Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen kritisch, die nur diejenigen treffen, die selbst kaum Einfluss auf systemische Veränderungen besitzen“, hieß es darin, eingebracht hatten ihn Mitglieder verschiedener Kreisverbände, unter anderem der Berliner Abgeordnete Taylan Kurt und die Bundestagsabgeordnete und ehemalige Landesvorsitzende Nina Stahr.

Eine ausführliche Positionierung zur Letzten Generation fehlt im Leitantrag ohnehin – dafür gab es später einen weiteren Beschluss, der es als „verständlich“ bezeichnet, dass „die Letzte Generation mit zivilem Ungehorsam Aufmerksamkeit für den Klimaschutz generiert“. Weiter heißt es darin: „Wir fordern Klimaschutzmaßnahmen und nicht unsolidarische Debatten über Protestformen von jungen Menschen, die sich für den Klimaschutz und damit schlicht und einfach für ein politisches Ziel von Verfassungsrang einsetzen.“ Polizeiliche Gewalt in Form von Schmerzgriffen und Selbstjustiz durch Autofahrende werden verurteilt.