piwik no script img

Heidenheim vor dem Bundesliga-AufstiegProfikick und Streuobstwiese

Die Schwäbische Alb bereitet sich auf Fußballfans vor. An den Aufstieg des 1. FC Heidenheim glauben hier alle. Auch die DKP, die im Gemeinderat sitzt.

Heidenheim goes Bundesliga, das Stadtbild verändert sich Foto: Christoph Ruf

Niemals, wirklich niemals sollte man die Tücken der Provinz unterschätzen. Schnell wird sie als Idyll beschrieben, in der Fuchs und Bambi gemeinsam Yoga machen. Und noch schneller kommt die Großstadtarroganz im Journalisten durch, der sich ja aus Prinzip gern über eine Provinz erhebt, von der er nicht einmal weiß, wo sie jetzt genau liegt. Beides, so viel sei verraten, haut nicht hin in Heidenheim, dessen größter Fußballverein am Wochenende in die erste Liga aufsteigen könnte.

Das fängt schon damit an, dass hier oben auf der Schwäbischen Alb eher nicht die Kühe auf der Alm grasen, auch wenn die Stadt schön gelegen ist, wie man dann sieht, wenn man auf dem Rückweg vom Stadion den Schlossberg hinunter wandert. Vorbei an Streuobstwiesen und freundlichen Rentnern, die natürlich längst wissen, dass der 1. FCH jetzt noch einen Sieg braucht, und dann kommen tatsächlich die Bayern- und Dortmund-Fans hierher. Aber „Kühe, Schweine, Heidenheim“ (wahlweise: „Osnabrück“ oder ein anderes dreisilbiges Wort), was Großstadtfans gern singen, trifft es hier halt nicht. Heidenheim ist industriell geprägt.

Der Maschinenbaubetrieb Voith beschäftigt 4.500 Menschen, die ewig gleichen Heimsuchungen der Globalisierung prägen auch hier die Innenstadt: Der Drogeriemulti aus dem nahen Ulm, der Aufbacksandwich-Laden, ein paar andere Ketten. Im kleinen Park am Bahnhof sitzen derweil ein paar politisch-progressive Jugendlichen, die deutschen HipHop hören, und die wenigen Fußballfans, die mit der Bahn angereist sind, ziemlich demonstrativ ziemlich verächtlich anschauen.

So viel also zu Heidenheim, das eine ganz normalen Kleinstadt wäre, wenn ihr oberstes Gremium nicht eine Besonderheit aufwiese. Denn einer der 32 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte ist Reinhard Püschel. Und der ist seit 1973 Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei. Die DKP war im alten Westdeutschland ziemlich präsent bei Demos oder Ostermärschen.

Heimat linker Idealisten

Sie war die Heimat linker Idealisten und kämpferischer Gewerkschafter. Aber auch die von bornierten Ideologen, die die DDR für die wahre deutsche Demokratie hielten. Als ausgerechnet eine Regierung unter Willy Brandt 1972 den Radikalenerlass durchsetzte, zielte das auf Lehrer (und Postboten), die Mitglieder der Kleinstpartei waren. Viel Paranoia für eine Partei, die bei Wahlen selten über 0,2 Prozent kam und heute 2.800 Mitglieder hat.

Drei davon sitzen einem nun in einer Kneipe gegenüber, die – im Ernst jetzt – „Kleine Heile Welt“ heißt. Es soll über den 1. FCH gehen, dessen Schal Dieter Vogel trägt, ein Ur-Heidenheimer, der in Lüneburg wohnt. Wilhelm Benz, der Kreisvorsitzende, ist auch gekommen. Und eben Püschel, der im nächsten Jahr wieder für den Gemeinderat kandidieren will. Klappt die Wiederwahl, gibt es 2025 ein Jubiläum zu feiern. Dann ist die DKP seit 50 Jahren hier im Rat der Stadt vertreten. Glaubt man den drei freundlichen Herren, ist das allerdings so überraschend auch wieder nicht.

„Wir haben nie irgendeiner Erhöhung der Kita- oder Friedhofsgebühren zugestimmt“, sagt Püschel. „Das sind wichtige Sachen für die Menschen. Genau wie ein bezahlbarer Nahverkehr.“ Kein Wunder, dass sich der langjährige Oberbürgermeister Bernhard Ilg mal beschwert hat, dass die von der DKP immer gegen alles seien. Aber sie konnten schließlich nur dagegen sein, als es darum ging, die städtischen Wohnungen zu verkaufen. Keine kommunale Aufgabe, fand Ilg. Die allerwichtigste kommunale Aufgabe, fand Püschel.

Püschel interessiert sich nicht wirklich für Fußball

Wechselseitig krumm genommen haben sie sich ihre Meinungsverschiedenheiten indes nicht. Und das sagt jetzt vielleicht doch etwas aus über das politische Klima in Heidenheim. Denn CDU-Mann Ilg hat der DKP selbstverständlich städtische Räume überlassen, als die eine Ausstellung zur örtlichen Parteigeschichte plante. „Früher gab es ein ungeschriebenes Gesetz, dass man mit uns keinen Kontakt haben durfte“, sagt Benz. „Heute sitzt man nebeneinander und unterhält sich ganz normal.“

Püschel bestätigt das und will jetzt noch mal etwas klarstellen: Er interessiere sich zwar nicht sehr für Fußball. Aber wenn der 1. FCH aufsteige, freue er sich. Auch mit dessen Vorsitzenden, der mal für die CDU im Gemeinderat saß, habe man kein Pro­blem: „Ich kann gegen Holger Sanwald nichts Negatives sagen. Politisch lägen wir sicher in vielem auseinander, aber der Umgang ist völlig korrekt und höflich. Er hat uns auch mal erlaubt, eine Aktion auf dem Stadiongelände durchzuführen.“

Aber ja, es stimme schon, dass die DKP immer dagegen war, den Verein mit Steuergeldern zu unterstützen. Und genau das hat die Kommune immer wieder getan, als ihr das Stadion noch gehörte. „Der stufenweise Ausbau hat die Stadt 18 Millionen Euro in zehn, zwölf Jahren gekostet.“ Als der Oberbürgermeister dem Verein dann noch das Stadion zum symbolischen Preis von einem Euro überlassen wollte, hat Püschel die Welt gar nicht mehr verstanden.

„Das wenige Geld, das die Kommunen haben, muss zuerst im sozialen Bereich ausgegeben werden. Und dann sollten wir, bevor wir die Erhöhung der Kita-Gebühren beschließen, noch schnell dem FCH ein Stadion schenken?“ Da schüttelt auch Vogel den Kopf, der den Werdegang des FCH seit Kindertagen verfolgt und jetzt mal zehn Tage auf Heimaturlaub ist. Das Ticket fürs Spiel in Regensburg hat er seit Wochen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Gut geschrieben.



    Der Radikalenerlass traf nicht nur Lehrer und Postboten sondern alle die vor der verbeamtung standen. Aus meiner Familie traf es den Lokomotivführer Rudi Röder den man über diesen Weg versuchte zu entlassen.