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Die WahrheitSchmuckstück aus der Radiohölle

Unterwegs Radio hören kann zu verstärktem Ohrenglühen führen. Wer da so alles Plattitüden zum Besten gibt: Rapper, Studenten, Politiker …

F rüher war Radio, die Toten unter uns werden sich erinnern, was heute der Podcast ist – nur eben rund um die Uhr. Irre Sache. Zufällig geriet ich, weil der Deutschlandfunk bei einer Autofahrt durchs bewaldete Mittelgebirge nur noch – chrrrr – mäßig – ziuuuuu – zu empfangen – schschsch – war, an einen Sender namens You FM, die Jugendwelle des Hessischen Rundfunks. Dort kann man viel lernen, etwa über den Deutschrap.

Eine volle Stunde wurde der Sprechgesangskünstler Fler interviewt. Zwischendurch gab’s Hörbeispiele, die lyrisch sehr interessant waren. Es wimmelte von Fotzen, Lamborghini, Muschis, AMG und der „Straße“, womit vermutlich nicht die für den Lamborghini gemeint war.

Der Deutschrapper klang wie jeder gealterte Popstar, seit Pop erfunden wurde und Zeit vergeht. Früher, so Fler, sei alles noch „real“ gewesen, echte Fotzenlamborghinimuschis also. Heute nicht mehr so, was irgendwie schade ist.

Es folgte eine Sendung über den Beginn des Studiums. Junge Leute riefen an und berichteten. Der Moderator fragte einen BWL-Studenten, ob sein „time table“ auch so viel „pressure“ und „hustle“ bedeute. Der Student verneinte, was der Moderator „nice“ fand. Dann hat der Kulturpessimist in mir lieber – ziuuuuu – versucht, ein wenig – chrrrr – Deutschlandfu… – schschsch. Herrgott!

Kaum hatte ich den Sender wieder „reinbekommen“, wie wir Toten sagen, benutzte wieder ein Politiker diese Formulierung aus der Hölle. Er sagte nicht „indem“ oder „weil“. Auch hätten ihm dadurch, dass er seinen Satz nur geringfügig umgebaut hätte, die Worte „hierdurch“, „hiermit“, „daher“, „demzufolge“, „deshalb“, „folglich“ oder eine ganze Reihe anderer Schmuckstücke aus dem Schatzkästlein des Deutschen zu Gebote gestanden. Nein, er sagte „dadurch dass“. Ohne Komma, wie ein Wort: „Dadurchdass die Energiewende kommen muss, blabla undsoweiter“.

„Dadurchdass“ ist die ak­tuel­le Fistel in der Achselhöhle der Sprache. Umständlicher und unbeholfener lassen sich „indem“ oder „weil“ nicht ersetzen. Als modale Satzverbindung wirkt diese Konjunktion, als wäre sie von einem betrunkenen Laien mit dem 3D-Drucker hergestellt. Als sprachliches Schraubgewinde tunkt sie, was auch immer angeblich „dadurch dass“ bedingt sein soll, in eine Soße aus Quatsch. Und wenn Gewinde tunken, dann tut das metaphorisch genauso weh wie ein „Dadurchdass“.

Meine Deutschlehrerin hatte mir mal das Adverblein „eh“ angestrichen und „Gibt’s nicht!“ an den Rand geschrieben. Gibt’s aber eben doch, ohnehin und sowieso. Mit vergleichbarer Strenge sollte „dadurch dass“ schon auf der Grundschule bekämpft werden. Ich stelle mir ein pädagogisches Bilderbuch, vor mit dem lustigen Dadurch-Lurch und der neugierigen Dass-Ananas. Und die haben dann allerlei „pressure“ und „hustle“. Das wäre „nice“.

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Inlandskorrespondent
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4 Kommentare

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  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „die Worte ‚hierdurch‘, ‚hiermit‘, ‚daher‘, ‚demzufolge‘, ‚deshalb‘, ‚folglich‘ oder eine ganze Reihe anderer Schmuckstücke aus dem Schatzkästlein des Deutschen zu Gebote gestanden“



    … zufolge trotz… - Ringelnatz - ein wahrer Schatz:



    „[....] Ha! Nun greifen sie zu.



    Packen sich an, auf, hinter, neben, in,



    Über, unter, vor und zwischen,



    Statt, auch längs, zufolge, trotz



    Stehen auf die Frage wessen.



    Doch ist hier nicht zu vergessen,



    Daß bei diesen letzten drei



    Auch der Dativ richtig sei.“



    de.wikisource.org/wiki/Ringkampf

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @95820 (Profil gelöscht):

      Nachklapp vom Mit-Toten:



      In Hessen ging nur DLF oder Cassette. Wer aufgewachsen ist mit WDR-Moderatoren Manfred Erdenberger, Klaus Jürgen Haller, Dieter Thoma und anderen, kann verstehen, was Arno Frank erduldet.

  • ...„Dadurchdass“ ist die ak­tuel­le Fistel in der Achselhöhle der Sprache....



    Ein Juwel!



    ...... Sonst aber ist es hübsch, durch eine Welt zu wandeln, die uns nicht versteht, eine, die wir nicht verstehen – eine deren Laute nur in der Form von: »Yousana – wo bi – räbidäbi – dé – « an unser Ohr dringen . . . Mißverständnisse sind nicht möglich, weil die gemeinsame Planke fehlt – es ist eine saubere, grundehrliche Situation. Denn wie sprechen Menschen mit Menschen –?



    Aneinander vorbei.

    Wie wird übersetzt? Nicht sehr schön. Es ist das ja eine schwere Sache, das ist wahr, und man kann sehr darüber streiten, wie eine ideale Übersetzung eigentlich aussehen soll. Soll die fremde Sprache hindurchschimmern? Soll der Sprachenkundige noch durch den Teig der Übersetzung, womit sie farciert ist, hindurchschmecken? Soll er Redewendungen anklingen hören? Den fremden Pulsschlag noch leise fühlen? Das ist die eine Möglichkeit, Oder soll sich die Übersetzung glatt lesen, so daß es ein Lob bedeuten soll, wenn einer sagt: »Man merkt gar nicht, daß das hier übersetzt ist.« Das ist die andere Möglichkeit. Eines aber kann man verlangen: daß der Übersetzer beider Sprachen mächtig ist. Nicht immer ist ers. … Schon Christian Morgenstern merkte … an, daß der deutsche Übersetzer holprig und fremd daherstelzt. … Man muß eben nicht nur ein Lexikon, man muß auch Fingerspitzen haben. Die meisten haben nicht einmal ein Lexikon.....



    (Kurt Tucholsky)



    Dadurchdass ich das lese habe ich gute Laune!

    • @Ringelnatz1:

      nice - anschließe mich