das wird: „Territoriale Grenzen sind wieder relevant“
Die Bremer GAK reflektiert im Inneren öffentlichen Raum
Interview Benno Schirrmeister
taz: Frau Hans, spricht irgendetwas dafür dass alle Menschen Inseln sind?
Annette Hans: Ich hoffe, dass es nicht so ist. Ich denke aber schon, dass die Beobachtung der Gegenwart diese Befürchtung stützt, also, dass es diese Tendenzen zur Vereinzelung und Verinselung gibt. Sie sind auch durch die Pandemie noch deutlicher geworden – und scheinen wesentlich stärker als noch vor 20 Jahren: Wie sehr territoriale Grenzen wieder relevant sind, wie sichtbar sie heute wieder sind, das hätte man damals doch nicht erwartet.
Vor 20 Jahren heißt: Die Ausstellung „Doch alle eine Insel?“ bezieht sich also wirklich auf das große GAK-Projekt aus dem Jahre 2003, das nach dem metaphysischen Dichter John Donne „Niemand ist ein Insel“ geheißen hatte?
Ja und nein. Es geht natürlich nicht darum, sich an diesem Projekt abzuarbeiten. Und es war auch nicht der Ausgangspunkt, sondern umgekehrt: Ich interessiere mich für den Umgang mit öffentlichem und halb öffentlichem Raum. Und da liegt es nahe, sich auf die Geschichte der Institution und der Stadt zu beziehen, in der Kunst im öffentlichen Raum eine besondere Rolle gespielt hat. Da gibt es eine Lücke in der Stadt.
Annette Hans
Jahrgang 1982, ist Kunsthistorikerin und leitet die Bremer GAK.
Echt jetzt? Ich kenne keinen Ort in Deutschland, der eine lebhaftere Mahnmalkultur hätte: Kommenden Monat wird das „Arisierungs“-Denkmal an der Schlachte eröffnet, der Wettbewerb fürs Brechmittelfolter-Mahnmal läuft, es gibt nicht kuratierte Denkmale für die Mittelmeer-Toten …
Das stimmt. Aber Kunst im öffentlichen Raum ist nicht auf die Funktion des Erinnerns beschränkt. Und was uns an neuen Bildern in der Stadt begegnet, steht heute fast ausschließlich unter konsumistischem Paradigma, ist Werbemaßnahme. Das ist etwas, was wir als Institution mit weißen Wänden reflektieren.
Indem Sie wie vor 20 Jahren mit Kunstaktionen rausgehen zu den Leuten in der Stadt?
Vernissage „Doch alle eine Insel?“: Bremen, Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK), Teerhof 21, 26. 5., 19 Uhr. Die Ausstellung läuft bis zum 27. 6.
Nein. Was wir bei „Doch alle eine Insel?“ zeigen, ist in erster Linie Malerei. Um das zu sehen, muss man schon zu uns in die GAK kommen. Bis auf die von Bremer Künstler*innen angeleiteten Spaziergänge findet nichts draußen statt. Wir thematisieren den öffentlichen Raum von unserer Insellage aus.
Also ist die Ausstellung so etwas wie ein Labor?
Labor ist zu spezifisch: Es ist ein Anfang, ein Vortasten, um zu sehen, was passiert, ohne dass wir wissen, ob etwas passiert.
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