China investiert in Sierra Leone: Vom Ökoparadies zum Fischerhafen
Für einen chinesischen Hafen sollen in Sierra Leone viele Naturschätze weichen. Anwohner*innen wehren sich – und werden verhaftet.
BLACK JOHNSON taz | Eine Autostunde südlich von Sierra Leones Hauptstadt Freetown erstrecken sich gelb-goldene Sandstrände, gesäumt mit Palmen und Mangroven. Hier in Black Johnson betreibt das Ehepaar Gbandewa das Ecolodge Tito’s Paradise, eine Ferienunterkunft für Urlaubsgäste mit ökologischem Anspruch. Doch die Regierung hat andere Pläne: Die Idylle soll einem Fischereihafen weichen.
„Von Anfang an wollte die Regierung uns nicht einbeziehen“
Anwohnerin
Nachdem es jahrelang vor allem Spekulationen gab, soll das Projekt mit einer Teilfinanzierung aus China nun offenbar konkret werden. Es kam zu offenen Auseinandersetzungen zwischen Polizei, Militär und den Menschen vor Ort.
„Jane Aspden Gbandewa wurde verhaftet“, berichtet Jonathan Kojo Mammah am Dienstag, der in Black Johnson mehrere Landbesitzer*innen vertritt. Es heißt, dass die Tourismus-Unternehmerin den Sicherheitskräften und einer Gruppe von Chinesen den Zutritt auf ihr Grundstück verweigert habe. Details sind nicht bekannt. Wann sie wieder freigelassen wird, ist ebenfalls unklar.
Noch kurz zuvor schwärmte Jane Aspden Gbandewa von den verschiedenen Ökosystemen, die in Black Johnson zusammenkommen. Wale und Delfine lassen sich beobachten. Fünf verschiedene Meeresschildkrötenarten sind hier heimisch – und legen ihre Eier nachts in den Sand. Im Feuchtgebiet rasten Zugvögel.
Spekulationen über Fischereihafen
Noch 2020 hatte Umweltschutzminister Foday Moriba Jaward anlässlich des Welttages zum Schutz von Feuchtgebieten gesagt, die Regierung messe diesen große Bedeutung bei. Die Zerstörung durch Großbauprojekte und Abholzung von Mangrovenwäldern würde zur Wasserknappheit beitragen. Erhalte man sie hingegen, verbessere das die Lebensqualität der Bevölkerung und fördere den Tourismus. Nicht zuletzt sei Sierra Leone Unterzeichner der 1971 im Iran verabschiedeten Ramsar-Konvention zum Erhalt von Feuchtgebieten.
Black Johnson ist allerdings kein offizielles Ramsar-Schutzgebiet. Spekulationen, dass hier ein Fischereihafen gebaut wird, gibt es seit Jahren. Im Mai 2021 sagte der Präsident schließlich bei der Parlamentseröffnung, der chinesische Staat bezuschusse den Bau mit 55 Millionen US-Dollar als Teil ihrer internationalen Infrastruktur-Strategie namens „Neue Seidenstraße“. Grundstückseigentümer*innen in Black Johnson sollen komplett entschädigt werden. Häufig ist die Rede von 100 Hektar für das Hafenprojekt.
Jane Aspden Gbandewa kennt ein Schreiben des Fischereiministeriums, in dem stehe, dass der Hafen Platz für mindestens zehn Fischfangboote haben soll, die hauptsächlich Thunfisch fangen werden. Auch heißt es, dass ein Delfinarium gebaut werden soll. Doch viele Fragen bleiben ungeklärt. Die Anwohner*innen würden kaum informiert werden und Treffen im Vorfeld nicht angekündigt.
„Von Anfang an wollte die Regierung uns nicht einbeziehen“, kritisiert Jane Aspden Gbandewa. Bei einer kurzfristig einberufenen Versammlung im April habe ihr Mann Tito nicht einmal sprechen dürfen. „Ihm wurde gedroht, ihn in Handschellen abzuführen, falls er doch spreche.“ Wenige Tage später sei schon einmal eine Gruppe von Chinesen gemeinsam mit zwei bewaffneten Polizisten den steilen Hang zum Strand hinuntergekommen. Niemand habe sich ausweisen können. Welchen Zweck der Besuch hatte, ist Gbandewa unklar.
Warum ausgerechnet Black Johnson?
Dass so vieles vage bleibt und nun zeitlich viel Druck gemacht wird, hat einen Grund, meint Daniel Sesay. Er arbeitet für die Organisation Namati, die unter anderem Dorfgemeinschaften in Landrechtsfragen berät. Das Vorgehen sei spezifisch für Investitionen aus China, sagt Sesay. Anders als beispielsweise bei Finanzierungen von der Europäischen Union würden Verfahren schnell durchgezogen werden.
Auch sei es unklar, warum man ausgerechnet an Black Johnson festhalte: „Einen Fischereihafen kann man an vielen Stellen bauen.“ Die seien möglicherweise sogar besser geeinigt, weil sie tiefer sind. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie der Weltbank aus dem Jahr 2017, die die Hafengegner*innen zitieren. Der Traumstrand sei nicht geeignet für ein solches Projekt. In den vergangenen Jahren hat Jonathan Kojo Mammah häufig erlebt: Mit Sachargumenten oder juristischen Schritten erreichen die Anwohner*innen nichts. Seine Strategie: „Wir müssen weltweit so vielen Menschen wie möglich erzählen, was gerade in Black Johnson passiert.“
Leser*innenkommentare
Ramaz
Es gibt schon vollendete Fischereiprojekte der Chinesen in Afrika.
Jeder der dort denen bewilligt sowas zu wiederholen weiß genau das er ein Verbrechen begeht.
Nicht nur an der Natur, auch an den Menschen und dem Staat selbst. Die Profite gehen weg und das Land ist tot
PartyChampignons
Warum lernen wir eigentlich nie aus unseren Fehlern?
Ich hoffe wirklich, dass dieses Projekt verhindert werden kann
Mohammed Wasiri
Nach Europa muss nun halt auch Afrika kaputt gehen. Obs jetzt der Chines macht, oder wir selber ist der Natur egal.