piwik no script img

Zustimmung der Linken zum Sudan-EinsatzÜberfälliger Lernprozess

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Das gab es noch nie. Die Linkspartei hat ohne Gegenstimmen für einen Bundeswehreinsatz im Ausland gestimmt. Es ist ein Hoffnungsschimmer.

Im Fokus der Aufmerksamkeit: Die Linke im Bundestag Foto: Achille Aboud/imago

S icher, auf die paar Stimmen der kleinsten Fraktion kam es nicht an, als der Bundestag am späten Mittwochnachmittag nachträglich seine Zustimmung zu der Rettungsmission der Bundeswehr im Sudan gegeben hat. Trotzdem war das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten der Linkspartei das Interessanteste an dieser Entscheidung, die ansonsten als Formalität zu verbuchen ist. Denn die Linksfraktion hat mit übergroßer Mehrheit bei wenigen Enthaltungen und ohne Gegenstimmen für diesen Einsatz der Bundeswehr im Ausland gestimmt. Das gab es noch nie.

Ist das ein Verrat an den friedenspolitischen Grundpositionen der Linken? Keineswegs, es ist vielmehr ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass sich die schwer kriselnde und zerstrittene Partei doch noch nicht vollständig aufgegeben hat, sondern sogar aus Fehlern lernen kann. Denn ein solcher schwerer Fehler war kurz vor der Bundestagswahl 2021 der Umgang mit dem Eva­kuie­rungs­einsatz der Bundeswehr in Afghanistan, dem nur eine kleine Minderheit in der Fraktion nicht die Zustimmung verweigerte. Das war ein Desaster, für das die Linkspartei mit dem Verfehlen der Fünfprozenthürde abgestraft wurde. Wer ideologische Verbohrtheit über die Rettung von Menschenleben stellt, der oder die darf sich nicht wundern, wenn sich Wäh­le­r:in­nen angewidert abwenden.

Es ist gut, dass es im Bundestag wenigstens noch eine Partei gibt, die sich der militärischen Logik grundsätzlich verweigert. Dazu gehört nicht nur das Aufbegehren gegen deutsche Hochrüstungspläne, sondern auch, Auslands­einsätze der Bundeswehr in aller Regel abzulehnen. Aber das darf kein Ritual sein und kann nicht bedeuten, nicht in jedem einzelnen Fall genau hinzuschauen. Dazu hat sich die Linkspartei allzu lange unfähig gezeigt. Aus Prinzip nicht zwischen einem Kriegs­ein­satz und einer zeitlich wie räumlich klar begrenzten Rettungsaktion unterscheiden zu wollen, entspricht jedoch nicht einer pazifistischen oder antimilitaristischen Grundhaltung, sondern ist schlicht verantwortungslos – und geht im Zweifel auf Kosten des Lebens von Menschen.

Die Sudan-Abstimmung zeigt, dass es hier einen Lernprozess gegeben hat. Das ist erfreulich – und überfällig. Denn nach wie vor gilt: Die Wahrheit ist immer konkret.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Unbelegbare Aussage, dass die Linke wegen einer einzigen Abstimmung für oder gegen etwas nicht über die 5%-Hürde kam. Leider ist es so, dass in der bundesrepublikanischen Gesellschaft insgesamt zuwenig Zustimmung für Vermögensausgleich und gegen Finanzkapitalismus und Boden-Spekulation gibt. Das beruht darauf, dass zu viele Menschen sich den maßlosen Reichtum einiger weniger schlicht nicht vorstellen können und glauben, von Vermögenssteuer und höherer Kapitalertragsbesteuerung seien sie selbst betroffen.

    • @Christian Götz:

      Vielleicht ist ja der 'masslose Reichtum einiger weniger ' einfach nicht so interessant. Außerdem, so blöd sind die Leute nun doch nicht, daß sie glauben, von der Vermögenssteuer betroffen zu werden, von der Kapital - Ertragssteuer sind sie es oft wirklich. - Was eher zieht, hierzulande, ist das fatale Argument, daß es Arbeitsplätze kostet, wenn die Reichen belastet werden.

  • Der Sudan-Einsatz dient ja nur der Evakuierung von vor allem deutschen Mitbürger*innen. Also weit entfernt von einem bewaffneten Konflikt. Und wenn nicht das Wohlwollen des dortigen Militärs einen reibungslosen Einsatz zugelassen hätte, wäre es auch schiefgelaufen. Wie ja England und Frankreich gezeigt haben.

    • @uffbasse:

      Stimmt wohl, dass der Autor einen Kirschkern für einen Obstsalat ausgiebt.



      Aber was soll bei Frankreich verkehrt gelaufen sein?



      "Nach Diplomatenangaben haben die sudanesische Armee und die mit ihr verfeindete Miliz Rapid Support Forces (RSF) Sicherheitsgarantien für den französischen Evakuierungseinsatz abgegeben." Die Zeit, 23.04.2023

      • @Christian Lange:

        Der französische Konvoi wurde beschossen. Ist das etwa nichts? Die Franzosen haben auch nicht gefragt. Die Deutschen immerhin haben um Erlaubnis gebeten.