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Feingefühl für Melancholie

HAMBURG-SOUL Zwischen Nina Simone und Erykah Badu – die 24-jährige Y’akoto geht mit ihrem Debüt „Babyblues“ auf Tour. Musik ist ihr Zuhause

„Die Herausforderung war für mich, in einem Satz alles zu beschreiben, was ich fühle“

Y’AKOTO

VON FATMA AYDEMIR

Sie will kein Aufsehen erregen. Sie singt und spricht so laut, dass man mühelos weghören könnte. Vielleicht ist es gerade das, was einen so neugierig auf Y’akoto macht. Die 24-jährige Tochter eines Ghanaers und einer Deutschen – ihrer Gesangsstimme nach würde man sie gut und gern doppelt so alt schätzen – wollte eigentlich Tanzpädagogin werden. Doch heute macht Y’akoto simple Soulmusik mit großer Ernsthaftigkeit. „Ich muss nicht den Zeitgeist bedienen, nur weil gerade Leichtigkeit gefragt ist“, sagt Y’akoto zu dem eher versunkenen Grundton ihrer Lieder.

Die gebürtige Hamburgerin ist in Ghana aufgewachsen und kehrte nach Zwischenstopps in West- und Zentralafrika zurück in die Hansestadt. „Ich glaube, dass ich durch das viele Reisen gelassener geworden bin. Ich beherrsche drei Sprachen und kenne Leute mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, das hilft mir, nicht so kompliziert zu denken. Und ich glaube, das hat meine Musik enorm beeinflusst.“

Y’akoto hat stilistisch schon so viel experimentiert, dass ihr nun erschienenes Debütalbum „Babyblues“ recht routiniert daherkommt. Es zeigt Ordnung und traumhafte Sicherheit im Umgang mit Stilbrüchen von Reggae über Afro bis hin zu Jazz. Dieses Wechselspiel büßt nichts an Stimmung ein. Alle neun Songs haben etwas Improvisiertes an sich, ohne jemals den Fokus zu verlieren. Für die Instrumentierung sind wechselnde Produzenten verantwortlich, etwa der auch in Berlin bekannte Kanadier Mocky, Haze sowie das Team Kahedi, bestehend aus Samon Kawamura, Max Herre (ehemals Freundeskreis) und Roberto Di Gioia.

Wie aus einem Guss

Aber Y’akotos Debütalbum klingt wie aus einem Guss, als würde die Musik aus einer einzigen Feder stammen. Der äußerst reduzierte Sound setzt auf viel Akustik. Er ist eine unaufdringliche, aber schmeichelhafte Begleitung für die Sängerin. Im Mittelpunkt nämlich steht sie, mit ihrem einzigartigen Timbre – irgendwo zwischen Nina Simone und Erykah Badu – und ihren Erzählungen von den Höhen und Tiefen des Lebens.

Dabei packt sie Tonnenschweres in einfache Worte, dass es den Hörern selbst überlassen bleibt, ob sie sich einfach nur dem trägen Flow des Albums hingeben oder die Leerstellen, die Y’akoto bewusst stehen lässt, mit eigenen Gedanken ausfüllen. „Die Herausforderung war für mich, in einem Satz alles zu beschreiben, was ich fühle.“

Gänzlich unaufgeregt tänzelt der Trennungsschmerz auf dem Song „Moving“ über dezente Percussion auf die nächste Liebe zu. Y’akoto kann die Dinge durchaus gelassen sehen, so geschehen bei „Diamonds“, einer Hymne auf den Optimismus. Dennoch wagt sie sich auch an die Abgründe des Daseins heran. Als erste Single wählte Y’akoto „Tamba“, das vom Schicksal eines afrikanischen Kindersoldaten erzählt, aber nicht in die Falle menschelnden Kitschs tappt. Nicht nur dass sich die Sängerin mit der schweren Thematik von Anbeginn gezielt vom Rest differenzieren konnte, das Lied beweist auch ihr rares Talent: Feingefühl für die Melancholie ohne große Gesten.

In gleicher Weise tut es der Titelsong „Y’akoto’s Babyblues“, das stärkste Stück ihres Albums. „The love of my life pushed me down the valley / Disappeared and never showed up again / And now he’s in love with a very old lady / A woman ten years older than me.“ Die Story wird von derart schattenhaften Pianoklängen getragen, dass man nach jeder Strophe den Absturz vermutet. Eifersucht als tief brennender Schmerz, letztlich aber doch nur reine Kinderei, Babyblues eben.

Auf die gefühlt tausendste Frage nach ihrer Heimat antwortet Y’akoto sachlich, aber bestimmt: „Ich lerne immer wieder Leute kennen, die in ihrer Heimat nicht bleiben können, sei es aus politischen, sozialen oder ökonomischen Gründen, und die nach einem Ort suchen, wo sie in Würde leben können und ihre menschlichen Bedürfnisse erfüllt werden. Heimat ist ein dehnbarer Begriff. Für mich geht es vor allem um die Verbundenheit mit mir selbst. Andere Leute reden zu Gott, ich mache Musik, sie ist mein Zuhause.“

Y’akoto inszeniert sich also nicht als große Souldiva, doch haftet ihrer Performance so viel weibliche Eleganz an, dass man sie als solche vor Augen hat. Ihr Purismus ist ihre Stärke, könnte sich aber leicht in eine Schwäche verwandeln. Denn ein bisschen mehr Risiko, ein bisschen mehr Verzweiflung hätte dem Album und seinem emotionalen Potenzial durchaus gutgetan.

Y’akoto: „Babyblues“ (Warner Music). Live: 12. Mai, München, „Ampere“; 13. Mai, Köln, „Studio 627“; 14. Mai, Hamburg, „Knust“; 15. Mai, Berlin, „Comet“

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