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Studie zu LebensmittelpreisenHungrig nach Profiten

„Übermäßige Gewinnmitnahmen“ sind weit verbreitet in Europa. In Deutschland sind sie aber besonders „eklatant“, so der Kreditversicherer Allianz Trade.

Kühlregal in einem Supermarkt: Lebensmittelpreise sind mittlerweile zum Inflationstreiber geworden Foto: Roland Hartig/imago

Hamburg afp | Der „Profit-Hunger“ der Hersteller trägt einer Untersuchung zufolge zu den stark steigenden Preisen für Lebensmittel bei. Mehr als ein Drittel der jüngsten Preissteigerungen in Deutschland sei nicht auf Faktoren wie gestiegene Energie- oder Lohnkosten zurückzuführen, heißt es in einer am Montag vorgestellten Studie des Kreditversicherers Allianz Trade. Dieser Trend zu „übermäßigen Gewinnmitnahmen“ ist demnach überall in Europa zu beobachten, in Deutschland sei er aber besonders „eklatant“.

Die Lebensmittelpreise sind mittlerweile zum Inflationstreiber geworden. In Europa machen Preissteigerungen in dem Bereich der Studie zufolge fast ein Drittel der Teuerung aus, in Deutschland sogar fast 40 Prozent. Die Allianz-Experten gehen davon aus, dass dies auch noch eine Weile so bleiben wird, bevor die Preise spätestens im kommenden Jahr wieder sinken.

Diese Teuerungen lassen sich den Angaben zufolge kaum mit den im vergangenen Jahr stark gestiegenen Rohstoffpreisen erklären, da diese wieder stark zurückgegangen seien. Ein wichtiger Grund hingegen seien die Betriebskosten, vor allem durch die hohen Energiepreise, aber auch die Kosten für Verpackungsmaterialien sowie die Lohnkosten, erklärte Allianz Trade.

Seit Mitte Mai 2022 könnten etwa 10 Prozent der Verteuerung der Lebensmittel in Europa damit aber nicht erklärt werden, erklärte der Inflationsexperte Andy Jobst. „Das ist deutlich mehr als vor der Pandemie und dem Ukrainekrieg. Damals lag dieser ‚unerklärte Teil‘ bei weniger als 3 Prozent.“ In Deutschland sei die Situation „noch eklatanter“: Hier betrage der ungeklärte Anteil über ein Drittel.

„Es scheint zunehmend Anzeichen für Gewinnmitnahmen zu geben sowie unzureichenden Wettbewerb in den Bereichen mit besonders starken Preissteigerungen wie zum Beispiel bei Herstellern von Milchprodukten und Eiern, aber auch bei nichtsaisonalem Gemüse und Obst“, erklärte Jobst. „Wir beobachten auch, dass insbesondere Lebensmittelhersteller hungrig nach Profiten sind“, fügte Allianz-Branchenexperte Aurélien Duthoit hinzu. „Sie haben die Preise wesentlich stärker erhöht als die Einzelhändler.“

Die Studie weist auch auf weitreichende Folgen der anhaltenden Verteuerung von Lebensmitteln hin. „Wenn die Verbraucher mehr für Lebensmittel bezahlen, geben sie weniger Geld für andere Dinge aus, was eine wirtschaftliche Erholung verlangsamen könnte“, erklärte Jobst. Ein weiterer Anstieg der Lebensmittelpreise um 20 Prozent würde Deutschland so rund 0,5 Prozentpunkte des Wirtschaftswachstums kosten.

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4 Kommentare

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  • WARUM sagt keiner das es bei denen, die mit den wirklichen Gewinnen, um die Vier Großen ( Edeka, Schwarz, Rewe, Aldi ) Heuschrecken des Deutschen Einzelhandel geht ???



    Es sind die Preise für die Eigenmarken dieser Ketten die überproportional gestiegen sind. Wo ist hier das Kartellamt ?, sollte nicht dieses Marktbeherrschende Zustände verhindern ?? Es ist schon lange überfällig das die Allmacht dieser Organisationen gebrochen wird. Davon würden Erzeuger und Verbraucher gleichermaßen profitieren.

    • @Günter Witte:

      Wir sind seit Jahren in einer FoodCoop mit Direkteinkauf im Großhandel.



      Die Preissteigerungen im Großhandel sind moderat bis kaum wahrnehmbar, die Preissteigerungen im Einzelhandel dagegen schon körperlich fühlbar, besonders bei Biogemüse, das im Einkauf geringer gestiegen ist, als konventionelles Gemüse, im Laden kostet Biogemüse aber mehr.



      Ein österreichischer Doku-journalist hat mal dazu Recherche betrieben, Fazit die Biopreise werden angehoben, damit die Eigenmarken des Konzerns weiterhin die billigsten sind. Sind sie im Einkauf/Herstellung aber nicht, Lösung: das billigere teurer machen...

  • diese Mitnahmeeffekte sind im Energiesektor auch vorhanden. Stichwort gesunkene Marktpreise für Strom und Gas, bei kaum sinkenden Endverbraucherpreisen.



    Da fängt`s an und zieht sich dann überall durch, bis hin zu den Lebensmitteln, wenn die anderen die Preise anziehen, dann machen halt alle mit.



    Dieses Fiasko mit höheren Zinsen zu beantworten ist dann die Holzhammermethode, alle kriegen eins drauf. Übergewinnsteuer, Wettbewerbsbehörden mit Zähnen, Veränderung von Marktmechanismen ( wie die Ausklammerung von Gas aus der Strompreiskalkulation) es wären einige Stellschrauben vorhanden, sind aber nicht gewollt.



    Die Prognose, dass die Preise wieder sinken, das ist in ungefähr so zutreffend wie die jährlichen Wachstumsprognosen fürs nächste Jahr, Kaffesatzleserei mehr nicht. Die Wachstumsprognosen liegen fast jährlich daneben und inflationär gestiegene Preise sind noch nie gesunken.

    • @nutzer:

      Was sinken kann ist die Inflationsrate, das bedeutet aber lediglich, dass es nicht noch teurer wird, die Realpreise sinken dabei nicht, die bleiben auf gleichem Niveau. Dieser feine aber entscheidende Unterschied wird gerne von den Experten unterschlagen, klingt ja auch besser und beruhigt die Bevölkerung...