Claudius Prößer staunt darüber, wie die Bahn das Fahrradfahren promotet
: Abstrampeln für 60 ml Flüssigseife

Was macht die DB, wenn die Pünktlichkeit ihrer Züge mal wieder auf der Strecke bleibt? Sie promotet das Fahrrad: Auf dem machen alle ihr Tempo schließlich einigermaßen selbstbestimmt. Wie genau das funktioniert, erinnert dann aber doch wieder stark an andere PR-Ideen der Bahn.

„Wir wollen Menschen überzeugen, nachhaltig unterwegs zu sein, verkündet Bernd Koch, Vorstandschef der DB Station & Service, am Donnerstag im Bahnhof Südkreuz. Bahn und Fahrrad, so Koch, seien die „optimale Kombination“. Und weil Appelle selten reichen, soll sich der Umstieg vom Auto ab sofort „ganz konkret lohnen“.

Wie schon in anderen Städten beteiligt sich jetzt Berlin an der App „DB Rad+“. Das Prinzip ist in jeder Hinsicht simpel: Das Fahren auf dem Drahtesel soll durch das Vorhalten digitaler Möhrchen attraktiver werden – die bestehen aus Rabatten für virtuelle und physische Shops. Wird die App vor Besteigen des Sattels aktiviert, erkennt sie die Fortbewegungsart und registriert die zurückgelegten Kilometer. Völlig unbedenklich, wie Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) versichert: „Sie müssen sich nicht registrieren, es werden nur anonymisierte Verkehrsdaten erhoben.“ Aus denen kann die Verwaltung „Heatmaps“ erstellen, die die Attraktivität von Routen zeigen.

Auch deshalb wohl war Jaraschs Haus bereit, die Aktion bis Ende 2024 zu fördern: mit 300.000 Euro, von denen drei Viertel aus Bundestöpfen stammen. Von dem Geld wird die App betrieben und beworben, es werden aber auch „Partner akquiriert“, bei denen die Kilometer umgewandelt werden können.

In was, fragen Sie? Nun: Die DB selbst gibt Vergünstigungen auf Accessoires aus ihrem Online-Shop. Für 100 geradelte Kilometer gibt es einen Gutschein im Wert von 5 Euro, der ab einem Einkauf von 25 Euro einlösbar ist. Die Fußmatte mit dem ICE 4 (24,90 Euro) reicht da leider noch nicht, aber Sie können ja das Magnetpuzzle DB Streckennetz (11,90 Euro) drauflegen.

Interessanter ist da schon das 5-Euro-Guthaben für die Nutzung eines Call-a-Bike-Leihrads (auch für 100 km Strampeln). Gutscheine für Bahnfahrten – eigentlich naheliegend – verspricht das System zwar, sie sind aber (noch) nicht verfügbar. Da muss man sich mit den Angeboten anderer Partner trösten: einem Gratis-Cookie bei „Bolinas Kaffee & Laden“ in Tempelhof (für 35 km) oder einer Dr. Bronner Fair Trade Flüssigseife bei „Supermarché Oekofaire Mode“ in Kreuzberg (60 ml, für 60 km).

Schon wieder witzig eigentlich, wie die vom ADFC betriebene „Flotte“ das DB-Marketing kapert: Auch das kommunale Lastenrad-Sharingsystem taucht in der Rabattliste der App auf, mit einem Unterschied allerdings: Die Miete kostet nichts – und ist auch schon ab „0 km“ zu haben. There ain’t no such thing as a free lunch“? Manchmal eben doch.