Essen gegen den Frust: Kuchen, der uns wärmet

Es gibt Gebäck, das verbindet Kontinente, schmeckt nach Heimat und vermag zu trösten. Wie die argentinische Pasta Frola.

Sieht aus wie eine halbe Linzertorte

Die Pasta Frola soll gegen Liebeskummer helffen Foto: Alamy Stock Photos / Mercedes Fittipaldi

Sobald meine Zähne in Kontakt mit dem Teig kommen und er beginnt, sich im Mund aufzulösen, fühlt es sich an, als sage etwas: „Iss mich, ich bin ganz für dich da.“ Ich gehorche ergeben. Ich esse langsam, weil ich mir wünsche, dass dieser Moment nie zu Ende geht. Sandig schmeckt es von außen, süß und klebrig von innen.

Nach Lektüre am Strand und nach Kindergeburtstag schmeckt es aber auch. Nach regnerischen Nachmittagen vor dem Fernseher nach der Schule und wenn man, so wie ich, aus Argentinien kommt, dann schmeckt die Pasta Frola unbedingt auch nach Matetee mit Freun­d*in­nen oder Arbeitskolleg*innen.

Bei der Pasta Frola handelt es sich um eine mit Quittenpaste gefüllte Mürbeteig-Tarte (die Füllung kann je nach Region variieren), die mit einem karierten Muster aus Teigstreifen bedeckt ist. Doch für mich ist sie mehr als nur ein Klassiker. Sie ist eine Liebeserklärung an meinen Gaumen.

Mein Lieblingskuchen macht nicht nur gute Laune und satt, er bringt die Essenden auch zum Lachen und Schwatzen. Denn er hat fast so viele Namen wie Erinnerungen.

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Pasta Frola gegen Liebeskummer

Die Pasta Frola wird auch „Pasta Flora“ oder „Pastafrolla“ genannt und niemand weiß genau, welche Version die richtige ist. Pasta bedeutet Teig und Frola „Gebrochenes“, weil er so leicht im Mund kaputtgeht. Ernster wird es – zumindest in Argentinien –, wenn es darum geht, welche Pasta Frola besser ist: die mit „Dulce de membrillo“ (Quittenpaste) oder die mit „Dulce de batata“ (Süßkartoffelpaste). Letztere gehe auf keinen Fall, sagen die Traditionalist*innen. Auch wenn die „Dulce de batata“ eine argentinische Spezialität ist, gehöre sie einfach nicht auf die Tarte.

Uneinigkeit herrscht auch bei der Herkunft der Pasta Frola. Konsultiert man das Internet, wird die Pasta Frola mehrheitlich als eigentlich italienischer Mürbeteig-Kuchen bezeichnet, sie heißt im Original „Crostata“ und ist mit der neapolitanischen „Pastiera“ verwandt.

Die argentinische Variante wurde angeblich von den Spaniern beeinflusst und ästhetisch von der österreichischen Linzer Torte inspiriert. Sie wird außerdem in weiteren Ländern Südamerikas sowie in Griechenland und Ägypten gegessen. Einer Legende zufolge ist der Kuchen ein Geschenk der Götter, der von der Sirene Parthenope zur Bucht von Pozzuoli gebracht wurde.

Eine andere lautet, die Pasta Frola hätte die Erzherzogin Maria Theresia von Österreich zum Lächeln gebracht, was anscheinend nicht oft vorkam.

Dass die Pasta Frola viel mehr als ein Gebäck ist, steht jedenfalls fest. Es heißt, sie sei ein effektives Gegengift, zum Beispiel gegen Liebeskummer. Und das ist sie in der Tat – vor allem, wenn sie von einer guten Freundin gebacken wird, um einen zu trösten.

Als es mir nach einer Trennung einmal schlecht ging, sagte mir eine argentinische Freundin am Telefon, dass eine Pasta Frola im Backofen auf mich warte. Nur so schaffte ich es, mich zu motivieren, das Haus zu verlassen. In zehn Minuten war ich bei ihr.

Schon im Treppenhaus packte mich der Duft, er stieg direkt ins Gehirn und ließ mich für einen Augenblick die Traurigkeit vergessen. Während die Pasta Frola am Fenster ein bisschen abkühlte, bereiteten wir den Matetee vor. Auch das beruhigte mich, ein Heimatgefühl, ein vertrautes Ritual. Und als ich den ersten Bissen nahm, sah die Welt direkt anders aus.

Ihre Pasta Frola, so frisch und süß (aber nicht zu süß), knusprig, aber auch soft, ist einfach die aller leckerste, die ich je probiert habe!

Meine Freundin sagt, ich müsse ihrer Urgroßmutter danken. Sie habe das Rezept von Treviso mit nach Argentinien genommen. Als sie starb, vererbte sie es ihrem Sohn. Er hatte seinen Job bei der Polizei aufgegeben, nachdem er das Pferd, mit dem er durch die Straßen streifte, verloren hatte – später stellte sich heraus, dass es alleine zur Polizeistation zurückgegangen war.

Danach war er Bäcker geworden. „Mein Opa liebte es, am Sonntagnachmittag die Enkelkinder mit Pasta Frola zu verwöhnen“, erzählt meine Freundin. Ansonsten habe er nicht viel gesprochen und sei auch nicht besonders kinderlieb gewesen. „Die Pasta Frola machte ihn zu einem wärmeren Menschen.“

Sie zeigt mir ein Zettelchen, auf dem ihr Opa das Rezept aufgeschrieben hat. Dort stehen aber nur die Zutaten. „Und der Rest?“, frage ich sie. „Der Rest, wie mein Opa sagte, der Rest ist nur Magie.“

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